Salzburger Nachrichten

Afrika ist plötzlich wieder im Brennpunkt Analyse.

Ein Hoffnungst­räger liegt im Sterben, ein anderer kommt zu Besuch. Doch helfen können sich die Menschen nur selbst.

- WOLFGANG DRECHSLER WOLFGANG DRECHSLER

KAPSTADT (SN). Nach langer Zeit blickt die Welt wieder einmal gebannt auf Afrika: Während Südafrikas Nationalhe­ld Nelson Mandela im Sterben liegt und sich Schwarz wie Weiß ein letztes Mal hinter dem großen Versöhner sammeln, ist US-Präsident Barack Obama zu seiner ersten längeren Reise auf den Kontinent aufgebroch­en. Groß war der Jubel, als er sich bei einer kaum zweitägige­n Stippvisit­e vor vier Jahren in Ghana zu seinen afrikanisc­hen Wurzeln bekannte. Für den wirtschaft­lich zurückgefa­llenen Kontinent schienen Mandela und Obama eine politische wie wirtschaft­liche Zeitenwend­e einzuläute­n. Mit ihnen sollte Afrika wieder Anschluss an die Welt finden.

Doch es ist anders gekommen. In Südafrika verblasste mit dem Rückzug Mandelas im Jahr 1999 das von ihm beförderte Gefühl der nationalen Einheit. Seit Jahren treibt Südafrika ziellos dahin und hat wirtschaft­lich an Boden verloren. Auch Obama hat sein Verspreche­n nicht gehalten: Die schwere Finanzkris­e gleich zu Beginn seiner Präsidents­chaft ließ Afrika rasch aus dem Fokus verschwind­en. Stattdesse­n hat sich China in den vergangene­n Jahren als größter Handelspar­tner des Schwarzen Kontinents etablieren können. Inzwischen beträgt sein Handelsvol­umen mit Afrika rund 200 Milliarden Dollar im Jahr. Amerikas Austauschm­it Afrika ist nur halb so hoch und beschränkt sich weitgehend auf Ölimporte aus Angola und Nigeria.

Was Afrika insgesamt betrifft, ist das Bild allenfalls gemischt. Zwar gehören Superlativ­e über seinen wirtschaft­lichen Auf- schwung inzwischen zum guten Ton. Allerdings ist der Ausblick weniger rosig, als Afrikas Cheerleade­r in den Unternehme­nsberatung­en und Medien oft vermeinen.

Auf den ersten Blick machen die Zahlen Mut: So ist die Wirtschaft Afrikas im Jahr 2012 um 4,5 Prozent gewachsen. Das ist vergleichs­weise viel für einen Kontinent, der lange Zeit in der Weltwirtsc­haft überhaupt keine Rolle spielte. Ein Mix aus Einparteie­nstaaten, Planwirtsc­haft, hohen Schulden und Konflikten hatte dazu geführt, dass die internatio­nale Geschäftsw­elt den Kontinent bis vor zehn Jahren weiträumig umging. Erst mit dem Aufstieg Chinas und dem damit verbundene­n Rohstoffbo­om ab 2003 keimt Hoffnung auf ein robusteres Wachstum.

Gleichwohl

sind

es auch

dies- mal wieder vor allem die Rohstoffe gewesen, die das Interesse an Afrika geweckt haben. Der Anschlag radikaler Islamisten auf eine Gasanlage in Algerien im Jänner, die religiösen Unruhen im Norden von Nigeria, aber auch der jüngste Einbruch vieler Roh- stoffpreis­e haben Investoren jedoch gezeigt, wie schnell das Klima umschlagen kann.

Anders als in Asien ist Afrikas Konsumboom fast nur von Erlösen aus dem Export seiner unverarbei­teten Rohstoffe finanziert worden. Doch ohne ein Mindestmaß an Veredelung und die Ent- wicklung eines produziere­nden Gewerbes, das Waren herstellt, die die Welt braucht, dürfte es in Afrika kaum eine industriel­le Revolution nach dem Vorbild Chinas geben. Besonders ernüchtern­d ist, dass sich im Gegensatz zum Rest der Welt die Armut in Afrika kaum geändert hat. Selbst Optimisten gestehen deshalb ein, dass auch sie nicht wissen, ob das etwas stärkere Wachstum in Afrika diesmal nachhaltig­er ist – oder nur ein Strohfeuer.

Afrikas Löwen auf den Spuren der asiatische­n Tiger?

Wenn die Menschen erkennen würden, dass Mandela und Obama keine Wunderheil­er sind und dass sie selbst die Ärmel hochkrempe­ln müssen, um Afrikas viele hausgemach­ten Probleme zu lösen, könnte der Kontinent womöglich endlich sein enormes Potenzial erschließe­n.

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berichtet für die SN aus Afrika

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