Afrika ist plötzlich wieder im Brennpunkt Analyse.
Ein Hoffnungsträger liegt im Sterben, ein anderer kommt zu Besuch. Doch helfen können sich die Menschen nur selbst.
KAPSTADT (SN). Nach langer Zeit blickt die Welt wieder einmal gebannt auf Afrika: Während Südafrikas Nationalheld Nelson Mandela im Sterben liegt und sich Schwarz wie Weiß ein letztes Mal hinter dem großen Versöhner sammeln, ist US-Präsident Barack Obama zu seiner ersten längeren Reise auf den Kontinent aufgebrochen. Groß war der Jubel, als er sich bei einer kaum zweitägigen Stippvisite vor vier Jahren in Ghana zu seinen afrikanischen Wurzeln bekannte. Für den wirtschaftlich zurückgefallenen Kontinent schienen Mandela und Obama eine politische wie wirtschaftliche Zeitenwende einzuläuten. Mit ihnen sollte Afrika wieder Anschluss an die Welt finden.
Doch es ist anders gekommen. In Südafrika verblasste mit dem Rückzug Mandelas im Jahr 1999 das von ihm beförderte Gefühl der nationalen Einheit. Seit Jahren treibt Südafrika ziellos dahin und hat wirtschaftlich an Boden verloren. Auch Obama hat sein Versprechen nicht gehalten: Die schwere Finanzkrise gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft ließ Afrika rasch aus dem Fokus verschwinden. Stattdessen hat sich China in den vergangenen Jahren als größter Handelspartner des Schwarzen Kontinents etablieren können. Inzwischen beträgt sein Handelsvolumen mit Afrika rund 200 Milliarden Dollar im Jahr. Amerikas Austauschmit Afrika ist nur halb so hoch und beschränkt sich weitgehend auf Ölimporte aus Angola und Nigeria.
Was Afrika insgesamt betrifft, ist das Bild allenfalls gemischt. Zwar gehören Superlative über seinen wirtschaftlichen Auf- schwung inzwischen zum guten Ton. Allerdings ist der Ausblick weniger rosig, als Afrikas Cheerleader in den Unternehmensberatungen und Medien oft vermeinen.
Auf den ersten Blick machen die Zahlen Mut: So ist die Wirtschaft Afrikas im Jahr 2012 um 4,5 Prozent gewachsen. Das ist vergleichsweise viel für einen Kontinent, der lange Zeit in der Weltwirtschaft überhaupt keine Rolle spielte. Ein Mix aus Einparteienstaaten, Planwirtschaft, hohen Schulden und Konflikten hatte dazu geführt, dass die internationale Geschäftswelt den Kontinent bis vor zehn Jahren weiträumig umging. Erst mit dem Aufstieg Chinas und dem damit verbundenen Rohstoffboom ab 2003 keimt Hoffnung auf ein robusteres Wachstum.
Gleichwohl
sind
es auch
dies- mal wieder vor allem die Rohstoffe gewesen, die das Interesse an Afrika geweckt haben. Der Anschlag radikaler Islamisten auf eine Gasanlage in Algerien im Jänner, die religiösen Unruhen im Norden von Nigeria, aber auch der jüngste Einbruch vieler Roh- stoffpreise haben Investoren jedoch gezeigt, wie schnell das Klima umschlagen kann.
Anders als in Asien ist Afrikas Konsumboom fast nur von Erlösen aus dem Export seiner unverarbeiteten Rohstoffe finanziert worden. Doch ohne ein Mindestmaß an Veredelung und die Ent- wicklung eines produzierenden Gewerbes, das Waren herstellt, die die Welt braucht, dürfte es in Afrika kaum eine industrielle Revolution nach dem Vorbild Chinas geben. Besonders ernüchternd ist, dass sich im Gegensatz zum Rest der Welt die Armut in Afrika kaum geändert hat. Selbst Optimisten gestehen deshalb ein, dass auch sie nicht wissen, ob das etwas stärkere Wachstum in Afrika diesmal nachhaltiger ist – oder nur ein Strohfeuer.
Afrikas Löwen auf den Spuren der asiatischen Tiger?
Wenn die Menschen erkennen würden, dass Mandela und Obama keine Wunderheiler sind und dass sie selbst die Ärmel hochkrempeln müssen, um Afrikas viele hausgemachten Probleme zu lösen, könnte der Kontinent womöglich endlich sein enormes Potenzial erschließen.