Schule und Uni am selben Tag
Hochbegabung. Sie gehen noch zur Schule, sitzen aber auch im Hörsaal. 65 Schüler in Österreich studieren an einer Hochschule. Eine von ihnen ist die 17-jährige Isabelle Wülbeck.
SALZBURG, WIEN (SN). Für rund 470.000 Schüler inWien, Niederösterreich und dem Burgenland fiel gestern der Startschuss für die Sommerferien. In den westlichen Bundesländern beginnt die neunwöchige Lernpause kommende Woche. So auch für Isabelle Wülbeck. Sie wird die Ferien mit ihrer Familie in Ungarn verbringen, nach Russland reisen und in einem Büro arbeiten. Doch eines unterscheidet die Guggenthalerin von ihren Mitschülern. Sie ist erst 17 Jahre alt und hat vergangeneWoche das sechste Semester Russisch an der Universität Salzburg abgeschlossen. „Es ist gut gelaufen“, erzählt die Schülerin, die gleichzeitig die 7. Klasse des Europa- und Bundesgymnasiums im Nonntal besucht und auch noch Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Latein spricht.
Isabelle ist hochbegabt. Auf die Uni geht die Schülerin seit sie 16 Jahre alt ist. „Ich bin direkt in das fünfte Semester eingestiegen.“Möglich machten dies ihre Vorkenntnisse: Als Achtjährige wollte Isabelle Russisch lernen. Die Leidenschaft zur Sprache liegt in ihren Wurzeln: Ihr Vater wurde zwar in Russland geboren, kam aber mit drei Jahren nach Deutschland und spricht die Sprache nicht. Die Schülerin wollte sich aber mit ihrer Uroma aus St. Petersburg nicht nur mit Händen und Füßen unterhalten. Isabelles Mutter schickte sie deshalb zu einer Privatlehrerin. In der Schule machte sie einen Zusatzkurs. Mit 15 Jahren ging Isabelle für ein Semester in das 2000-SeelenDorf Grazhdanskiy in Südrussland.
Isabelles Alter hat bei ihren Studienkollegen zunächst für Erstau- nen gesorgt. „Wir haben uns in der ersten Stunde auf russisch vorgestellt und da habe ich erzählt, dass ich noch zur Schule gehe“. Die Reaktion ihrer Kommilitonen: „Sie waren etwas baff und beeindruckt, wie ich das alles schaffe.“Inzwischen ist das Alter kein Thema mehr. Insgesamt 65 Schüler in Österreich studieren im Programm „Schüler/innen an die Hochschulen“. In Salzburg sind es 16, die an der Universität, der Fachhochschule oder dem Mozarteum Kurse besuchen. Die Interessen bei den Jugendlichen sind vielfältig: „Von Ma- thematik, über Physik, Medizin und Jus ist alles dabei – quer über alle Studienrichtungen hinweg“, sagt Claudia Resch, Geschäftsführerin vom Österreichischen Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung. Im Durchschnitt sind die Schüler zwischen 16 und 17 Jahre alt. Die Hochbegabung zeigt sich bei vielen schon früh. ErsteAnzeichen für Isabelles Talent gab es im Alter von fünf Jahren: „Ich habe gern Nachrichtensendungen geschaut und die Meldungen auch verstanden.“In der Volksschule schlug ihre Lehrerin vor, eine Klasse zu überspringen. „Aber meine Mama wollte das nicht – aus pädagogischen Gründen. Ich wäre von der persönlichen Entwicklung immer ein Jahr hinten gewesen.“
Was für Isabelle normal ist, können viele schwer nachvollziehen: „Ich mag das gar nicht so an die große Glocke hängen, was ich alles mache.“Gerade bei Gleichaltrigen würde das schnell ein StreberImage hervorrufen. „Die Leute glauben, ich habe überhaupt keine Freizeit. Dann muss ich mich immer rechtfertigen, dass das gar nicht so ist.“Karate, Freunde treffen und Fortgehen zählen zu ihren Lieblingsbeschäftigungen. „So wie für viele andere Jugendlichen in meinem Alter halt auch.“
Russisch ist zwar Isabelles Leidenschaft, zum Beruf will sie es aber nicht machen: „Ich möchte nach der Schule Politikwissenschaft studieren und etwas mit internationaler Politik machen.“Was genau, steht noch nicht fest, eine Idee für den Ort hingegen gibt es schon: Brüssel. „Ich weiß, dass ist ein ziemlich hohes Ziel.“Im nächsten Schuljahr steht aber erst einmal dieMatura auf dem Programm.