Sicherer durch vernetzte Autos
Zukunftsverkehr. Durch gesteigerte Sicherheit würde der volkswirtschaftliche Nutzen mehr als elf Milliarden Euro pro Jahr betragen.
Verkehrsteilnehmer kommunizieren und vermeiden dadurch Missverständnisse oder gar Unfälle. Doch die Kommunikation findet durch fortschrittliche Technik zwischen den Maschinen und nicht den Menschen statt.
Fahrzeuge und Infrastruktur, die sich austauschen und die Fahrer über Gefahren und Verkehrslage informieren, machen den Verkehr sicherer und effizienter. Diesen Nachweis hat einer der größten Feldversuche zur sogenannten Carto-X-Kommunikation erbracht. Unternehmen, Forschungsinstitute und öffentliche Einrichtungen testeten das gemeinsam entwickelte System „simTD“mit 500 Versuchsfahrern im laufenden Verkehr.
Wissenschafter der Technischen Universität München ( TUM) simulierten, wie sich der Verkehr entwickeln würde, wenn alle Fahrzeuge mit dieser Technik ausgestattet wären. Demnach geht das Konsortium von einem möglichen volkswirtschaftlichen Nutzen von mehr als elf Milliarden Euro pro Jahr aus. Als erste Funktion soll ab 2015 die Baustellenwarnung in einem Korridor von Rotterdam bis Wien eingeführt werden.
Das System des Projekts „Sichere intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland (simTD)“vernetzt Fahrzeuge und die Infrastruktur elektronisch miteinander. Autos und Motorräder sowie an den Straßen installierte Stationen nehmen über Sensoren das Verkehrsgeschehen und äußere Einflüsse wie die Witterung wahr. Mit einer eigens entwickelten Funktechnik, die auf dem WLAN-Standard aufbaut, tauschen sie sich unmittelbar untereinander aus. Außerdem übermitteln sie Informationen anonymisiert an eine Verkehrszentrale, die dann die Entwicklung des Verkehrs prognostiziert und steuert.
Frühwarnsystem
Die Fahrer werden mit „simTD“in die Lage versetzt, deutlich vorausschauender zu fahren. Sie bekommen auf einem Display zum einen Vorschläge für die aktuell günstigste Route und Empfehlungen wie etwa zur optimalen Geschwindig- keit für eine grüne Welle. Zum anderen werden die Fahrer akustisch und visuell vor drohenden Gefahren gewarnt. Beispielsweise zeigt ein Lichtsignal an, wenn ein vorausfahrendes Auto stark bremst – auch wenn sich zwischen dem bremsenden und dem eigenen Auto mehrere andere Fahrzeuge befinden. So kann der Fahrer schon reagieren, selbst wenn er die Gefahr noch gar nicht sehen kann. Frühzeitig kündigt der Assistent auch Stauende, Rettungsfahrzeuge oder verlorene Ladung an.
Funktioniert dieses System im Alltag? Welche Funktionen werden von den Nutzern akzeptiert? Um das herauszufinden, hat das „simTD“-Projekt 120 Fahrzeuge ein halbes Jahr lang auf Autobahnen, Land- und Stadtstraßen in Hessen geschickt. 500 Versuchsfahrer waren rund 1,6 Millionen Kilometer unterwegs. Die „Drehbücher“mit verschiedenen Szenarien des Feldversuchs wurden maßgeblich von Verkehrstechnikern der TU München konzipiert. Sie haben auch die gesammelten Daten ausgewertet – mit einem Volumen von mehr als vier Terabyte. Dabei analysierten die Wissenschafter nicht nur die tatsächlichen Auswirkungen des Versuchs auf das Verkehrsgeschehen in der Testregion. Sie simulierten außerdem, wie sich der Verkehr entwickeln würde, wenn bestimmte Anteile sämtlicher Fahrzeuge mit dem System ausgestattet wären.
„Der Versuch zeigte klar, dass das System zu mehr Sicherheit, Effizienz und Komfort im Straßenverkehr führt“, sagt Prof. Fitz Busch vom TUM-Lehrstuhl für Verkehrstechnik. „Aufgrund der Informationen haben die Fahrer Geschwindigkeit und Fahrweise frühzeitiger an die Verkehrslage angepasst. Vor allem in Situationen, in denen versteckte Gefahren lauern, ist der Nutzen der Vernetzung groß.“
Hilfe in Kreuzungen
Beispielsweise könnte mehr als die Hälfte der Unfälle in Kreuzungsbereichen verhindert werden, wären alle Fahrzeuge mit dem „simTD“System ausgestattet. Der Assistent weist Fahrer im Stadtverkehr bereits deutlich vor einer Kreuzung auf Fahrzeuge hin, die sich aus der anderen Straße nähern.
Selbst wenn nur ein geringer Teil der Autos mit dem System ausgestattet ist, ergeben sich bei einigen Funktionen positive Effekte für alle Verkehrsteilnehmer. Wurden die Versuchsfahrer über nahende Baustellen informiert, drosselten sie ihr Tempo und wechselten gegebenenfalls den Fahrstreifen. Dadurch verringerte sich die Gefahr eines Auffahrunfalls auch für andere.
„Die Car-to-X-Technologie ist bereit für den Markt“, sagt Projektkoordinator Christian Weiß. In einem ersten Schritt sind ab 2015 in einem Korridor von Rotterdam über Frankfurt bis Wien die Erfassung der Verkehrslage an Baustellen und entsprechende Warnungen für die Fahrer geplant. Zur weiteren Standardisierung der Technik arbeiten die Projektpartner mit anderen europäischen Fahrzeugherstellern und Behörden zusammen.
Sollten die „simTD“-Funktionen in sämtlichen Fahrzeugen etabliert werden, rechnen die Projektpartner damit, dass in Deutschland jährlich bis zu 6,5 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Kosten vermieden werden können, die durch Unfälle entstehen. Weitere 4,9 Milliarden Euro könnten pro Jahr vor allem durch geringere Reisezeiten und sinkende Umweltbelastung erzielt werden.