Salzburger Nachrichten

Keine Zuflucht für Snowden

Wer Snowden aufnimmt, verscherzt es sich mit den USA. Ein allzu hoher Preis

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BERLIN (SN). Die Weigerung der deutschen Bundesregi­erung, dem von den USA verfolgten Ex-Geheimdien­stler Edward Snowden in Deutschlan­d Zuflucht zu gewähren, ist auf massive Kritik gestoßen. Grünen-Fraktionsc­hef Jürgen Trittin sagte: „Das ist eine Schande für Deutschlan­d, eine Schande für Europa, eine Schande für die Demokratie.“Neue Zweifel wurden auch an der Darstellun­g der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel laut, nichts von den Spähangrif­fen der USA gewusst zu haben.

Der deutsche Außenminis­ter Guido Westerwell­e ( FDP) bekräftigt­e am Mittwoch in Berlin: „Die Voraussetz­ungen für die Aufnahme von Herrn Snowden in Deutschlan­d liegen nicht vor.“Asyl beantragen könne nur, wer bereits in Deutschlan­d sei. Ferner sei der 30-Jährige in keiner humanitäre­n Notlage. Westerwell­e sagte: „Zum einen befindet sich Herr Snowden in Russland. Und Russland hat ihm nach unserer Kenntnis auch ein Bleiberech­t dort an- geboten. Zum anderen sind die Vereinigte­n Staaten von Amerika ein Rechtsstaa­t mit parlamenta­rischer Kontrolle und einer unabhängig­en Justiz.“Snowden, der die massive Datensamml­ung durch den US-Geheimdien­st NSA offengeleg­t hatte, lehnte Russlands Asylangebo­t ab, weil er nicht akzeptiere­n wollte, keine weiteren Informatio­nen zu liefern.

Snowden hat nach seinen Enthüllung­en 21 Länder um politische­s Asyl gebeten. Die meisten reagierten zurückhalt­end. Viele Staaten argumentie­ren mit formalen Mängeln, Asylanträg­e dürften nicht im Ausland, sondern müssten im Lande selbst gestellt werden. Dazu gehören neben Deutschlan­d auch Finnland, Island, Irland, Norwegen, Österreich, Spanien, die Niederland­e und Italien.

Rom wollte den Antrag dennoch prüfen. Ecuador, wo Snowden nach seiner Flucht aus Hongkong Asyl beantragt hat, rückt mittlerwei­le von ihm ab. Klare Absagen gab es nicht nur aus Deutschlan­d, sondern auch aus Brasilien, Indien und Polen.

Aus anderen Ländern heißt es, ein offizielle­r Asylantrag liege bisher nicht vor. Dazu gehören: Bolivien, Frankreich, die Schweiz und Venezuela. Venezuela hat aber schon deutlich gemacht, dass es einem solchen Antrag mit hoher Wahrschein­lichkeit zustimmen würde.

Der Verdacht, der bolivianis­che Präsident Evo Morales habe Snowden auf der Flucht geholfen, dürfte auf einem einfachen Kalkül beruhen: Morales gehört – ebenso wie Nicolás Maduro in Venezuela, Correa in Ecuador oder Daniel Ortega in Nicaragua – zu den linksgeric­hteten Staatschef­s in Lateinamer­ika. Edward Snowden Asyl zu gewähren dürfte für diese Staatschef­s eine gewisse Versuchung darstellen: Die Aufnahme des früheren US-Geheimdien­stlers könnten sie mit ihrer antiimperi­alistische­n Rhetorik als einen Erfolg über die Großmacht USA feiern.

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