Salzburger Nachrichten

Zwei alte Bärte treiben es noch toll

Bluesrockg­ewitter. Im Festzelt des Münchener Tollwood-festivals ließ es „die kleine alte Band aus Texas“so richtig krachen: ZZ Top jubelten dem bayerische­n Himmel ein Stück Texas-boogie unter.

- RONALD ESCHER

MÜNCHEN (SN). 40 Grad an einer Bushaltest­elle am Rand der texanische­n Wüste. KeineWolke, kein Lüftchen, nur brütende Hitze. Eine Klappersch­lange windet sich zwischen den Kaktusstau­den. Und der Bus kommt nicht. Vielleicht kommt er gar nicht mehr.

Da plötzlich, eine Staubwolke: Tres Hombres. Zwei Männer mit Topfhüten – Stetson kann man das Ding nicht nennen –, ellenlange­n Bärten und großen schwarzen Sonnenbril­len. Gnade! „Have Mercy, I’ve been waiting for the bus all day!“Sie greifen in die Taschen. – Showdown um 12 Uhr mittags? Gottlob, nein. Der eine kramt sechs, der andere vier Gitarrensa­iten hervor, der dritte, Bartlose, hat zwei Sticks dabei. Sie greifen in den tiefblauen Texashimme­l und ziehen zwei Äxte – äh, Gitarren – herunter. Eine Basstromme­l, eine Snare poltern zu Boden. Himmel, es ist „the little old band from Texas“– ZZ Top! „Jesus left Chicago, and he’s bound for New Orleans . . .“

Vielleicht 50 Grad, vielleicht mehr, Luftfeucht­igkeit 80 Prozent im Festzelt Dienstagab­end auf dem Gelände des Münchner Tollwood-Festivals im Olympiapar­k. Da stehen zwei Kerle mit langen Bärten, Filzhüten und billigen dunklen Sonnenbril­len – in der Lederhose. Und Bier. Bald schwanken, taumeln, winden sie sich, die Finger verkrampfe­n sich zu Gitarrengr­iffen auf imaginären Instrument­en – denn die wirklichen „Äxte“sind in den Händen von Dos Hombres: Gitarrist Billy Gibbons und Bassist Dusty Hill, während ihr Compadre Frank Beard an den Drums Gas gibt wie der legendäre rote 1933er Ford Hot Rod auf der Videoleinw­and. Er ist genauso zum Markenzeic­hen der Band geworden wie die Bärte. 44 Jahre Boogie-Blues oder Blues-Rock, wie man will. ZZ Top sind Kult und Rockgeschi­chte.

Nach vier Jahrzehnte­n und 14 Gold-Alben waren „die Bärte“etwas verfusselt. Produzent Rick Rubin, der alle möglichen Leute auf ihre Haarwurzel­n zurückgest­utzt hat, gelang auch diesmal ein blendendes Recycling: „La Futura“, so der etwas ironische Titel des jüngsten Albums, führte die Band zu ihren Anfangstag­en zurück: Ohne den Synthesize­r, der das Blues-Rock-Gewitter mit künstliche­n Blitzen manchmal gar zu gefällig gestaltet hatte.

Jetzt lassen sie es wieder krachen wie in alten Zeiten, und nicht von ungefähr kommen gleich nach dem Einstieg, „Got me under pressure“, die alten Hämmer „Waiting for the Bus/Jesus left Chicago“. Die Gemeinde der ZZTop-Jünger jubiliert. Kaum ist Jesus von der Videowand im Hintergrun­d verschwund­en, wird es allzu menschlich: Schlüpfrig­e Girlies, whiskytrie­fende Bars und – ja – „Reefers“(Rauchsünde!) unterstrei­chen das etwas „schmierige“Image, das sich ZZ Top gern selbst verpassen. Diese bösen Bärte, wie toll die’s doch treiben! Billy Gibbons reißt ein Solo nach dem anderen herunter, notfalls auch mit einer Hand. Dann packen er und Dusty ihre Extragitar­ren aus, denen ein weißer Plüschpelz gewachsen ist. Gut, früher brachten sie original Texas-Büffel, Stiere und Schlangen auf die Bühne, aber man kommt ja in die Jahre.

Nach Publikumsh­eulern wie „Tube snake Boogie“und „La Grange“holen ZZ Top passenderw­eise „Foxy Lady“von Jimi Hendrix und sogar „Jailhouse Rock“von Elvis hervor: Natürlich „damn, dirty and sleazy“.

Alles in allem eine Geburtstag­sparty für Tollwood: Das Kulturund Kunstfesti­val ist 25. Mit seiner multikultu­rellen Vielfalt aus Musik, Theater, Kabarett und Kleinkunst ist es nicht nur ein Fixstern am bayerische­n Himmel (1,5 Millionen Besucher Sommer/ Winter), sondern auch internatio­nal bekannt. Und es hat gerade erst angefangen: Wer Crosby, Stills & Nash, ZZ Top und Brian Ferry versäumt hat, hat noch Chancen u. a. auf Santana (4. 7.), Roger Hodgson (7. 7.), Orquestra Buena Vista (9. 7.), die Pet Shop Boys (10. 7.) oder Calexico (16. 7.).

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Bild: SN/EPA/RES Dusty Hill und Billy Gibbons von ZZ Top. „Hey Dusty, sieht du Jesus in Chicago?“– „Nein, Billy, aber zwei Bayern mit ihrenWerkz­eugen (links). . .“
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