Wer fängt den Fisch im Datenstrom?
Enthüllungen von Edward Snowden zeigen: Unglaubliche Datenmengen werden abgehört und ausgewertet
Der Versuch, den weltweiten Datenstrom abzuhören, ist , wie allein in einem reißenden Fluss zu stehen und jeden vorbeischwimmenden Fisch zählen zu wollen. Ein unmögliches Unterfangen. Würde man das gesamte Wasser aber in Tanks ableiten, dort die Fische zählen und dokumentieren und dann das Wasser wieder in den Fluss zurückleiten, erschiene das Vorhaben zwar noch immer gigantisch, aber nicht unmöglich.
Schenkt man den Enthüllungen von Edward Snowden zum Projekt „Prism“Glauben, plant der amerikanische Geheimdienst NSA genau auf diese Weise den weltweiten Datenstrom zu analysieren. Nach einem Bericht des US-Magazins „Wired“wird die NSA im September ein gigantisches Rechenzentrum in Utah zu diesem Zweck eröffnen.
Bereits heute sollen NSA und der britische Geheimdienst GCHQ Daten in der Größenordnung von einem Exabyte (eine Milliarde Milliarden Bytes) verarbeiten können. Zur besseren Vorstellung: Ein Exabyte Daten würde auch verarbeitet werden, wenn jeder der 7,1 Milliarden Erdenbürger 150 Bücher zu je 500 Seiten pro Jahr läse. Doch damit nicht genug. Laut Netzwerkausrüster Cisco soll bis ins Jahr 2015 der weltweite Datenstrom auf knapp 1000 Exabyte anwachsen. Dann wären es 150.000 Bücher pro Erdenbürger und Jahr.
Was bei den aktuellen Projekten „Prism“der NSA und „Tempora“des GCHQ genau passiert, wissen selbst Fachleute nicht. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist noch immer der Fall Mark Klein aus dem Jahr 2007. Klein war Techniker bei der amerikanischen Telefongesellschaft AT&T und hatte enthüllt, wie die Telefongesellschaft mit der NSA zusammenarbeitet. Damals wurden Abhörgeräte mit einem „Splitter“in eine Glasfaserleitung eingeklinkt. Die NSA konnte so alle Daten einsehen, die über ein Glasfaserkabel verschickt wurden. Glaubt man Snowdens Berichten, ist der britische Geheimdienst GCHQ Vorreiter. Er speichere vorübergehend den kompletten Datenverkehr.
Haben sich die Geheimdienste Zugriff zu den Daten verschafft, können sie analysieren, welche EMails verschickt, welche Seiten im Web besucht werden oder wer mit wem telefoniert. Das Rrstaunliche: Bei der Auswertung der gewaltigen Datenmengen stehen Geheimdienste vor ähnlichen Herausforderungen wie Apple, Amazon, Google, Facebook und Co. Sie wollen erkennen, wofür sich Menschen interessieren und was sie kaufen wollen. Geheim- dienste wollen vorhersagen, von welchen Personen eine Gefahr ausgeht. Je mehr Daten gespeichert werden, desto besser sind die Möglichkeiten, auch in die Vergangenheit einer Person zu schauen: Wer hat wann mit wem kommuniziert und worüber? Wo hat er sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten? Hat er sich zu bestimmten Themen positiv oder negativ geäußert? Informationen, die Firmen und Geheimdienste interessieren.
Ein Horrorszenario ist die freiwillige oder unfreiwillige Zusammenarbeit von Unternehmen und Geheimdiensten. Damit wäre jeder Mensch, der sich im Internet bewegt, vollkommen gläsern und könnte auch über Jahre zurück beobachtet werden. Anhaltspunkte dafür, dass sich die US-Geheimdienste auch Zutritt zu den Daten von Google, Facebook und Co. verschafft hat, gibt es bereits.