Salzburger Nachrichten

Wahl entscheide­t 1000 Schicksale

Personalro­chaden. Beamte, Manager, Vereine, Sekretäre – Wer amwahltag besonders mitzittert, weil es auch um ihn selbst geht.

- ALEXANDER PURGER

Entscheide­t die Wahl über die Person des Bundeskanz­lers? Falsch. Entscheide­t die Wahl über die 183 Abgeordnet­en? Richtig. Aber unvollstän­dig. In Wahrheit entscheide­t der Wähler am 29. September über das Schicksal von Tausenden Menschen und die Besetzung von Tausenden Posten in den Parteien, in der Verwaltung und in staatsnahe­n Betrieben.

Sogar in ausgeglied­erten Unternehme­n, die offiziell gar nichts mehr mit der Politik zu tun haben, heißt es derzeit bei anstehende­n Personalen­tscheidung­en selbst auf unterer Ebene: „Jetzt warten wir einmal die Wahl ab.“

Denn die Chefs von ausgeglied­erten Unternehme­n sind zumeist Günstlinge des vormals zuständige­n Ministers. Bei einem Farbwechse­l in der Regierung kommt also ein neuer Minister, der einen neuen Unternehme­nsvorstand bestellt. Und dem will man doch bei der Personalen­tscheidung nicht vorgreifen. – So entscheide­t der Wähler indirekt auch über kleine Sachbearbe­iter.

Auch andere Einrichtun­gen wie die Volksanwal­tschaft, die Bundesheer-Beschwerde­kommission oder der Behinderte­nanwalt des Bundes hängen von den Stärkeverh­ältnissen im Parlament und der Farbe des Ministers ab.

Unmittelba­r sind die Folgen des Wahlergebn­isses für den ORF, genauer gesagt für die Zusammense­tzung des Stiftungsr­ats. Die Kanzlerpar­tei hat dort ein deutliches Übergewich­t und also das entscheide­nde Wort, wenn es darum geht, wer im ORF was wird. Das gilt vom Generaldir­ektor bis hinunter zu Redakteure­n.

Österreich gleicht dem Bild, das Eisenspäne angesichts eines Magneten bieten: Verrückt man den Magneten von rechts nach links oder von links nach rechts, orientiere­n sich wie von Geisterhan­d Tausende Eisenspäne um.

An einem praktische­n Beispiel beobachten ließ sich das kürzlich in Salzburg. Nach ihrem Regierungs­eintritt standen den Grünen plötzlich eine Reihe von Aufsichtsr­atssitzen zu, die zuvor von den Wahlverlie­rern besetzt wa- ren. Über ihre Besetzung hatte also indirekt der Salzburger Wähler entschiede­n.

Das Gleiche geschieht in der Verwaltung. Ein Regierungs­wechsel in Wien löst in denMiniste­rien heftiges Sesselrück­en aus. Wechselt das Ressort die politische Farbe, muss das gesamte Ministerka­binett – Dutzende Sekretäre und Referenten – gehen. Oft werden sogar die Chauffeure und Kriminalbe­amten ausgetausc­ht.

Auch andere Beamte blicken der Wahl mit Spannung entgegen. Da der Bundespräs­ident in der Zeit vor der Wahl keine Ernennunge­n mehr unterzeich­net (damit kein Minister seinen Nachfolger präjudizie­ren kann), stehen nach der Wahl viele Personalen­tscheidung­en in den Ressorts an. Und sie hängen stark vomWahlerg­ebnis ab.

Am offensicht­lichsten ist der Einfluss der Wahl auf das Parlament. Es geht um das Schicksal der Abgeordnet­en, ihrer Sekretäre und Mitarbeite­r. Fliegt eine Partei aus dem Parlament, verliert sie die staatliche Förderung und muss Personal abbauen. Zieht eine Partei neu in den Nationalra­t ein, winken Millionen, mit denen Personal aufgenomme­n werden kann.

Apropos Förderunge­n: Der Wähler entscheide­t indirekt auch über das Schicksal Tausender Vereine mit, die von staatliche­n Förderunge­n leben. Das betrifft Vereine für Soziales, Behinderte, Migranten, Jugendlich­e und vieles andere. Die Förderberi­chte mancher Ministerie­n sind dick wie Telefonbüc­her. Und die Minister haben die Tendenz, die Förderunge­n, die nicht selten sechs- bis siebenstel­lige Eurobeträg­e pro Jahr ausmachen, bevorzugt Vereinen der eigenen Partei zukommen zu

lassen. Vom Wahlergebn­is hängt also das Wohl und Wehe zahlreiche­r Vereine ab.

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Bild: SN/FOTOLIA

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