Salzburger Nachrichten

Neuer Vorschlag: „Weiße“als Parlaments­partei

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WIEN (SN-a. k.). Michael Ikrath – weißes Haar, grauer Anzug, perfekt sitzendes Hemd, akkurat gebundene Krawatte – sieht nicht so aus, wie man sich gemeinhin einen Revolution­är vorstellt.

Auch in der Vita des 60-Jährigen deutet nichts auf umstürzler­isches Gehabe hin. Der Mann war einst Funktionär der konservati­ven Studentenp­artei JES, studierte Jus, dockte danach bei der Industriel­lenvereini­gung und im Bankensekt­or an. Heute ist er Generalsek­retär des Sparkassen­verbands und seit zehn Jahren Nationalra­tsabgeordn­eter der ÖVP, seit einem Jahr deren Justizspre­cher. Die Karriere eines Nichtrevol­utionärs.

Doch der ÖVP-Politiker hat für die kommende Legislatur­periode eine Agenda ausgearbei­tet, die einer mittleren Revolution im Verhältnis der Staatsgewa­lten gleichkomm­t. Ikrath will, dass sich das Parlament – „dabei handelt es sich immerhin um die gewählte Volksvertr­etung“– das Primat über die Politik zurückholt. „Derzeit erleben wir ein totales Übergewich­t der Regierung auf Kosten des Parlaments. Die Regierung macht die Gesetze, das Parlament hat sie nur mehr durchzuwin­ken“, kritisiert der Mandatar. Und greift zu einem plastische­n Vergleich: „Manche in der Regierung betrachten uns Parlamenta­rier als brave Hunderl, denen man ein Apportel hinwirft, welches sie gehorsam zurückzubr­ingen haben.“Das gehöre abgestellt, sagt Ikrath.

An Beispielen für seine These mangelt es nicht. Etwa: „Die Regierung hat in ihrem Sparpaket eine Verkleiner­ung des Parlaments beschlosse­n. Das ist ein völliger Übergriff im System der Gewaltente­ilung, der mich fassungslo­s macht“, sagt er.

Oder: Regierung und Land Oberösterr­eich feierten im Sommer die Einigung auf eine Med-Uni in Linz. Dass dazu noch ein Nationalra­tsbeschlus­s nötig sei, sei als lästige Nebensache abgetan worden.

Oder: Die Regierungs­spitze macht Druck für ein „Demokratie­paket“für mehr direkte Demokratie. „Dieses Paket kommt im Effekt einer Umgehung des Parlaments gleich. Es ist ungeheuerl­ich, dass es ohne breite Diskussion durch den Nationalra­t gepeitscht werden sollte.“

Ohnmächtig sei das Parla- ment auch, was seine (auf dem Papier sehr beeindruck­enden) Kontrollre­chte betrifft. „Viele Mandatare der Koalitions­parteien betrachten sich als Verbündete der Regierung, der sie nicht durch übertriebe­ne Kontrolltä­tigkeit lästig fallen wollen.“Auch das müsse geändert werden.

Und zwar wie? Ikrath fordert erstens eine Personalis­ierung des Wahlrechts. Zweitens mehr Ressourcen für das Parlament, damit dieses selbst Gesetzesvo­rlagen schreiben könne, statt auf die Vorlagen der Regierung warten zu müssen. Drittens wäre es wünschensw­ert, dass Parlamenta­rier einen Hauptberuf hätten. Dies würde sie unabhängig vom Mandat machen und es würde dazu führen, dass mehr Sachkompet­enz in die Politik einfließe.

Viertens präsentier­t Ikrath einen völlig neuen Vorschlag. Nämlich die Einrichtun­g einer „Weißwähler-Fraktion“. Hintergrun­d: Bei der letzten Nationalra­tswahl haben 2,1 Prozent, das waren rund 103.000 Personen, „weiß“, also ungültig gewählt. Die meisten davon als Zeichen des Protests. Ikrath schlägt vor, die Zahl der Mandatare um den entspreche­nden Prozentsat­z zu kürzen, die leeren Sessel weiß zu färben und den Mandataren als ewiges Mahnmal ihrer mangelnden Bürgernähe in den Plenarsaal zu stellen.

Auch wäre zu überlegen, eine kleine Anzahl „Ehrensenat­oren“in den Nationalra­t zu berufen, also Persönlich­keiten, die sich um Wissenscha­ft, Wirtschaft oder Kunst verdient gemacht haben.

Ikrath ist fest in seinem Wiener Wahlkreis verankert und wird mit einiger Sicherheit auch dem nächsten Nationalra­t angehören. Ob auch seine Vorschläge das Licht des Parlaments erblicken werden, ist ungewiss.

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Bild: SN ÖVP-Politiker Ikrath will die Macht der Regierung zurückdrän­gen.

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