Salzburger Nachrichten

„Verurteile­n das Massaker der Nazis an den Juden“

Im Iran suchen die gemäßigten Kräfte eine Entspannun­g des Verhältnis­ses mit demwesten

- MICHAEL WRASE

TEHERAN (SN). Es war sicherlich kein Zufall, dass der iranische Außenminis­ter Jawad Sarif den Tweet einer prominente­n amerikanis­chen Staatsbürg­erin persönlich beantworte­te. Das neue Jahr wäre noch schöner, wenn der Iran neben den Segenswüns­chen zum jüdischen Neujahr auch die Leugnung des Holocausts beenden würde, hatte Christine Pelosi, die Tochter der demokratis­chen Minderheit­sführerin im US-Repräsenta­ntenhaus, Nancy Pelosi, die Grußworte der iranischen Regierung zu Rosch Haschana kommentier­t. „Die Islamische Republik hat das nie geleugnet“, schrieb Sarif auf Twitter – und fügte knapp hinzu: „Der Mann, der das getan hat, ist nun abgetreten“– womit Mahmud Ahmadineds­chad gemeint war. Wenige Stunden später wurde Irans Au- ßenministe­r noch deutlicher. Auf seiner Facebook-Seite stellte er klar: „Wir verurteile­n das von den Nazis verübte Massaker an den Juden und wir verurteile­n das von den Zionisten verübte Massaker an den Palästinen­sern.“Die unverhältn­ismäßige Gleichsetz­ung von Juden- und Palästinen­serverfolg­ung sei „ein Zugeständn­is an die Hardliner gewesen“, meinte ein westlicher Diplomat in Teheran und begrüßte den „ überfällig­en Kurswechse­l“der Iraner. Die neue Regierung in Teheran sei of- fenbar entschloss­en, ihr Verhältnis zum Westen nachhaltig zu entkrampfe­n. Ein weiteres Indiz für den Kurswechse­l ist die Entlassung von Saeed Dschalili. Der erzkonserv­ative Hardliner war seit 2007 Chefunterh­ändler bei den Verhandlun­gen mit den westlichen Staaten über das iranische Atomprogra­mm. Dschalilis Aufgaben wird fortan das Teheraner Außenminis­terium übernehmen. Abzuwarten bleibt, ob Sarif persönlich den Posten des Chefunterh­ändlers übernehmen wird.

Die Entspannun­gssignale aus dem Iran sind keine Überraschu­ng. Schon während seines Wahlkampfs hatte der neue iranische Präsident Hassan Rohani die kompromiss­lose Haltung seines Amtsvorgän­gers Ahmadineds­chad im Atomstreit mit demWesten infrage gestellt. Es sei gut, sag- te er, wenn sich die Zentrifuge­n drehen. Allerdings sollten sich auch die Räder in den iranischen Fabriken drehen können. Als Atomunterh­ändler hatte Rohani vor zehn Jahren einem mit Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d ausgehande­lten, zeitlich begrenzten Anreicheru­ngsstopp zugestimmt. Die Umsetzung der Kompromiss­lösung scheiterte damals am US-Veto.

Heute besitzt der Iran mehr als 6,5 Tonnen auf fünf Prozent angereiche­rtes Uran sowie fast 200 Kilogramm mit einem Anreicheru­ngsgrad von 20 Prozent. Mit Drohungen und Sanktionen, betonte Rohani, werde man das iranische Atomprogra­mm nicht ändern können, wohl aber mit „Verhandlun­gen auf Augenhöhe“.

Die iranischen Schalmeien­klänge kommen zu einem brisanten Zeitpunkt. Die USA sind zum militärisc­hen Eingreifen in Syrien entschloss­en. Glaubt man Ghasem Sulaimani, dem Kommandeur der „Quds-( Jerusalem)-Brigaden“, einer Spezialein­heit der iranischen Revolution­sgarden, will der Iran seinen Verbündete­n Syrien „bis zum Ende“unterstütz­en. Mit welchen Mitteln sagte er nicht. Nach Informatio­nen des „Wall Street Journal“sollen amerikanis­che Geheimdien­ste einen Befehl von Sulaimani an schiitisch­e Milizionär­e im Irak abgefangen haben. Diese seien aufgeforde­rt worden, im Falle amerikanis­cher Interventi­onen in Syrien Anschläge auf USEinricht­ungen im Irak durchzufüh­ren. Militärexp­erten in der Region halten dies für möglich. Allerdings­müsse man die irakischen Schiiten nicht ausdrückli­ch dazu auffordern.

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