Auma Obama verändert, ohne Politikerin zu sein
Starke Frau. Warum es die Familie lieber gesehen hätten, wenn die Schwester des Us-präsidenten ein Bub geworden wäre.
WIEN (SN). In die Politik hat es Auma Obama nie gezogen – im Gegensatz zu ihrem jüngeren Bruder Barack. Die Kenianerin hat einen anderen Weg gewählt, um die Welt zu verändern. Sie hat eine Stiftung zur Entwicklungszusammenarbeit gegründet: „Sauti Kuu – starke Stimmen für eine starke Jugend.“Auma Obama zog als Teenager in die USA zum gemeinsamen Vater. Zuvor lebte sie bei ihrer Mutter in Nairobi. Ihren Bruder Barack Obama lernte sie erst als Erwachsene kennen. Die SN trafen Auma Obama, die in Deutschland Soziologie und Germanistik studiert hat, beim Dialogforum des Rewe-Konzerns Wien, wo sie einen Vortrag hielt. SN: Mit Ihrer Stiftung Sauti Kuu wollen Sie Kindern und Jugendlichen helfen, sich selbst zu helfen. Wie haben Sie das gelernt? Auma Obama: Ich komme aus einer Familie mit lauter Jungs, ich war das einzige Mädchen. Mein Vater war eine sehr dominante Persönlichkeit. In unserer Kultur vom Volk der Luo haben Frauen Männern zu gehorchen, die Gesellschaft ist sehr patriarchalisch. Dagegen hab ich mich schon als junges Mädchen gewehrt. Ich hab immer gefragt: Warum soll ich anders behandelt werden, nur weil ich ein Mädchen bin? Ein Selbstwertgefühl hatte ich früh, was mir fehlte, war das Bewusstsein dafür. Aber es haben Menschen an mich geglaubt, um stark für meine Überzeugungen zu werden. Durch sie habe ich schon in Kenia zu mir gefunden. Das ist genau das, was Sauti Kuu versucht zu machen, junge Menschen mit starker Stimme darin zu bestärken, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen haben. SN: Was unterscheidet die Arbeit Ihrer Stiftung von der anderer Hilfsorganisationen? Obama: Bei uns steht nicht das Geld, sondern die Partnerschaft im Vordergrund. Die Motivation, die Stiftung zu gründen, bestand für mich darin, das Bild Afrikas zu ändern. Als ich als 19-Jährige nach Deutschland kam, habe ich erlebt, dass über Afrika wie über ein krankes Kind gesprochen wurde, dem geholfen werden muss. Leider herrschte diese Vorstellung auch bei den Kenianern, die sich als rettungsbedürftige Opfer der Armut sahen. Diese Einstellung wollte ich ändern, am besten schon bei Kindern und Jugendlichen, die noch unbefangen sind. SN: Warum sind Sie nach Deutschland gegangen? Obama: Ich bin nach Deutschland gegangen, weil ich aus den Zwängen und Einschränkungen von zu Hause weg wollte, zu einem Ort, wo ich mich als Individuum frei entfalten konnte. SN: Waren Sie als junge Kenianerin in Deutschland tatsächlich freier? Obama: Ja, ich konnte mein Leben in Deutschland so gestalten, wie ich wollte. SN: Würden Sie als 19-Jährige heute wieder für Ihr Studium nach Deutschland gehen wollen? Heute gelten strengere Zuwanderungsbestimmungen. Europa steckt in derWirtschaftskrise. Obama: Sie müssen verstehen, dass ich nicht wegen der Arbeitsplätze oder des hohen Lebensstandards nach Deutschland kam. Ich kam zum Studieren hierher. Dafür würde ich heute wahrscheinlich wieder nach Deutschland gehen. Ich glaube auch nicht, dass sich die Mentalität der Kenianer durch die Wirtschaftskrise stark verändert hat. Europa ist für die meisten ganz weit weg. Die Jugendlichen, mit denen ich arbeite, sind vom Land. Für die gibt es bloß die Vorstellung, vom Land in die Stadt zu kommen.
SN: Obama: Ich pauschaliere nicht gerne und kann nur für Kenia reden und über die Erfahrungen dort. Da würde ich sagen, dass die jungen Leute die Arbeitsethik der Deutschen anschauen sollten – ihr Anspruch auf hohe Qualität und Zuverlässigkeit. Umgekehrt ist man in Kenia viel weniger individualistisch, als ich das in Deutschland erlebt habe. Die erweiterte Familie hat einen sehr hohen Stellenwert und man fühlt sich für sie verantwortlich. SN: Wie wäre Ihr Leben verlaufen, wenn Sie ein Junge und kein Mädchen gewesen wären? Wären Sie dann Präsident wie Ihr Bruder? Obama: (lacht) Ist es nicht gut genug, was ich geworden bin? Meine Verwandten sagen immer, ich bewege sehr viel und habe einen starken Charakter. Sie sagen, eigentlich hätte ich ein Junge sein sollen. Das sagt alles, oder? Aber ich wollte niemals anders sein, als ich bin, auch wenn manches vielleicht leichter gewesen wäre. SN: Was bedeutet Politik für Sie? Warum sind Sie keine Politikerin geworden?
„Politik? Kein Interesse.“ Obama: Kein Interesse. Man muss nicht in die Politik gehen, um etwas zu bewegen. Das geht auch so. SN: Ist es Segen oder Fluch, den mächtigsten Mann derWelt zum Bruder zu haben? Obama: Es ist anstrengend, weil mich jeder – so wie Sie – nach ihm fragt. Mit meiner Arbeit hat das nichts zu tun. Aber es hilft mir, meiner Plattformeine starke Stimme zu geben.