Salzburger Nachrichten

Auma Obama verändert, ohne Politikeri­n zu sein

Starke Frau. Warum es die Familie lieber gesehen hätten, wenn die Schwester des Us-präsidente­n ein Bub geworden wäre.

- ALEXANDRA PARRAGH

WIEN (SN). In die Politik hat es Auma Obama nie gezogen – im Gegensatz zu ihrem jüngeren Bruder Barack. Die Kenianerin hat einen anderen Weg gewählt, um die Welt zu verändern. Sie hat eine Stiftung zur Entwicklun­gszusammen­arbeit gegründet: „Sauti Kuu – starke Stimmen für eine starke Jugend.“Auma Obama zog als Teenager in die USA zum gemeinsame­n Vater. Zuvor lebte sie bei ihrer Mutter in Nairobi. Ihren Bruder Barack Obama lernte sie erst als Erwachsene kennen. Die SN trafen Auma Obama, die in Deutschlan­d Soziologie und Germanisti­k studiert hat, beim Dialogforu­m des Rewe-Konzerns Wien, wo sie einen Vortrag hielt. SN: Mit Ihrer Stiftung Sauti Kuu wollen Sie Kindern und Jugendlich­en helfen, sich selbst zu helfen. Wie haben Sie das gelernt? Auma Obama: Ich komme aus einer Familie mit lauter Jungs, ich war das einzige Mädchen. Mein Vater war eine sehr dominante Persönlich­keit. In unserer Kultur vom Volk der Luo haben Frauen Männern zu gehorchen, die Gesellscha­ft ist sehr patriarcha­lisch. Dagegen hab ich mich schon als junges Mädchen gewehrt. Ich hab immer gefragt: Warum soll ich anders behandelt werden, nur weil ich ein Mädchen bin? Ein Selbstwert­gefühl hatte ich früh, was mir fehlte, war das Bewusstsei­n dafür. Aber es haben Menschen an mich geglaubt, um stark für meine Überzeugun­gen zu werden. Durch sie habe ich schon in Kenia zu mir gefunden. Das ist genau das, was Sauti Kuu versucht zu machen, junge Menschen mit starker Stimme darin zu bestärken, dass sie den richtigen Weg eingeschla­gen haben. SN: Was unterschei­det die Arbeit Ihrer Stiftung von der anderer Hilfsorgan­isationen? Obama: Bei uns steht nicht das Geld, sondern die Partnersch­aft im Vordergrun­d. Die Motivation, die Stiftung zu gründen, bestand für mich darin, das Bild Afrikas zu ändern. Als ich als 19-Jährige nach Deutschlan­d kam, habe ich erlebt, dass über Afrika wie über ein krankes Kind gesprochen wurde, dem geholfen werden muss. Leider herrschte diese Vorstellun­g auch bei den Kenianern, die sich als rettungsbe­dürftige Opfer der Armut sahen. Diese Einstellun­g wollte ich ändern, am besten schon bei Kindern und Jugendlich­en, die noch unbefangen sind. SN: Warum sind Sie nach Deutschlan­d gegangen? Obama: Ich bin nach Deutschlan­d gegangen, weil ich aus den Zwängen und Einschränk­ungen von zu Hause weg wollte, zu einem Ort, wo ich mich als Individuum frei entfalten konnte. SN: Waren Sie als junge Kenianerin in Deutschlan­d tatsächlic­h freier? Obama: Ja, ich konnte mein Leben in Deutschlan­d so gestalten, wie ich wollte. SN: Würden Sie als 19-Jährige heute wieder für Ihr Studium nach Deutschlan­d gehen wollen? Heute gelten strengere Zuwanderun­gsbestimmu­ngen. Europa steckt in derWirtsch­aftskrise. Obama: Sie müssen verstehen, dass ich nicht wegen der Arbeitsplä­tze oder des hohen Lebensstan­dards nach Deutschlan­d kam. Ich kam zum Studieren hierher. Dafür würde ich heute wahrschein­lich wieder nach Deutschlan­d gehen. Ich glaube auch nicht, dass sich die Mentalität der Kenianer durch die Wirtschaft­skrise stark verändert hat. Europa ist für die meisten ganz weit weg. Die Jugendlich­en, mit denen ich arbeite, sind vom Land. Für die gibt es bloß die Vorstellun­g, vom Land in die Stadt zu kommen.

SN: Obama: Ich pauschalie­re nicht gerne und kann nur für Kenia reden und über die Erfahrunge­n dort. Da würde ich sagen, dass die jungen Leute die Arbeitseth­ik der Deutschen anschauen sollten – ihr Anspruch auf hohe Qualität und Zuverlässi­gkeit. Umgekehrt ist man in Kenia viel weniger individual­istisch, als ich das in Deutschlan­d erlebt habe. Die erweiterte Familie hat einen sehr hohen Stellenwer­t und man fühlt sich für sie verantwort­lich. SN: Wie wäre Ihr Leben verlaufen, wenn Sie ein Junge und kein Mädchen gewesen wären? Wären Sie dann Präsident wie Ihr Bruder? Obama: (lacht) Ist es nicht gut genug, was ich geworden bin? Meine Verwandten sagen immer, ich bewege sehr viel und habe einen starken Charakter. Sie sagen, eigentlich hätte ich ein Junge sein sollen. Das sagt alles, oder? Aber ich wollte niemals anders sein, als ich bin, auch wenn manches vielleicht leichter gewesen wäre. SN: Was bedeutet Politik für Sie? Warum sind Sie keine Politikeri­n geworden?

„Politik? Kein Interesse.“ Obama: Kein Interesse. Man muss nicht in die Politik gehen, um etwas zu bewegen. Das geht auch so. SN: Ist es Segen oder Fluch, den mächtigste­n Mann derWelt zum Bruder zu haben? Obama: Es ist anstrengen­d, weil mich jeder – so wie Sie – nach ihm fragt. Mit meiner Arbeit hat das nichts zu tun. Aber es hilft mir, meiner Plattforme­ine starke Stimme zu geben.

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Bild: SN/APA/ROSSBOTH Was kann sich Afrika von Europa abschauen und umgekehrt? Auma Obama:

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