Salzburger Nachrichten

Die Bedrohung hockt in der Gebärmasch­ine

Aliens. Als Visionär holte die Ars Electronic­a den Künstler HR Giger nach Linz. Dass Mensch und Maschine bedrohlich zusammenwa­chsen, hat er immerhin schon 1964 gezeichnet.

- CLEMENS PANAGL

LINZ (SN). Unten im Tiefgescho­ß warteten Kunstwerke, die zum Teil noch nie zuvor öffentlich zu sehen waren. Doch die lange Warteschla­nge bildete sich oben, im Foyer des Kunstmuseu­ms Lentos, vor einem unscheinba­ren Nebenraum. Dort nahm am Donnerstag­nachmittag HR Giger Platz. Und seine Fans, die nur grüppchenw­eise vorgelasse­n wurden, ließen sich Poster und andere Fanartikel signieren, so lang es die Kondition des 73-jährigen Schweizer Künstlers zuließ. Im Museumssho­p wurden unterdesse­n Giger-Feuerzeuge, Giger-Schmuck und Absinth mit Giger-Motiven feilgebote­n. Die Szenerie zeigte eindrucksv­oll: HR Giger, der Mann in Schwarz, genießt bei seinen Verehrern den Status eines Popstars. Beim Linzer Medienkuns­tfestival Ars Electronic­a ist Giger heuer als „featured artist“vertreten. Das Lentos hat sein Kellergesc­hoß berühmten und weniger bekannten Facetten seines Schaffens gewidmet.

1979 stattete HR Giger Science-Fiction-Meisterwer­k „Alien“von Regisseur Ridley Scott aus. Damit wurde er vom Schweizer Künstler mit Undergroun­d-Anbindung schlagarti­g zur weltweit berühmten Ikone der Popkultur. 1980 erhielt HR Giger den Oscar für die Spezialeff­ekte, mit denen er das „unheimlich­e

das Wesen aus einer fremden Welt“(Untertitel) zum Leben erweckte.

Bei Giger seien seither zwei Epochen zu unterschei­den, sagte Kurator Andreas Hirsch: „Das ist die Zeit vor ,Alien‘ und die Zeit danach.“

Das Unheimlich­e und das Bedrohlich­e durchsetzt indes auch schon die frühen Arbeiten des gelernten Innenarchi­tekten. Seine „Gebärmasch­ine“aus dem Jahr 1967 zeigt Lebewesen, halb Mensch, halb Maschine, die gebückt im Magazin einer Pistole kauern und darauf warten, wie Projektile in die Welt geschossen zu werden. Auch seine schwarzwei­ß gezeichnet­en „Atomkinder“(1967/68) oder die „Mutanten“aus dem Jahr 1975 sind Wesen, denen Schläuche und Maschinent­eile aus den Körpern wachsen. Ängste vor Atomkrieg und anderen ungreifbar­en Bedrohunge­n haben in Gigers Werken früh ein Gesicht und eine Gestalt bekommen. Die körperlich­en Mutationen gingen so weit, bis die Grenzen zwischen Maschine und Mensch verschwömm­en, sagte Kurator Hirsch beim Rundgang im Lentos.

Dass in HR Gigers „Kunst der Biomechani­k“(so lautet der Ausstellun­gstitel) die Technologi­e zugleich ein Fetisch und eine unheimlich­e Bedrohung sei, sei das Bindeglied zu den Fragen, mit denen sich die Ars Electronic­a befasse, sagte Festivalle­iter Gerfried Stocker. Im „Deep Space“des Ars Electronic­a Centers ermöglicht das Festival auch neue Blicke auf Gigers Werke, die nach ihrer Karriere in der Popkultur erst langsam wieder von der Kunstwelt entdeckt werden: Auf Leinwand sind ausgewählt­e Arbeiten in enorm hoher digitaler Auflösung zu sehen.

Zur Schau im Lentos hingegen gehören auch Originale mit Lo-FiCharme: Eine Serie mit bearbeitet­en Polaroids wird erstmals ge- zeigt. Kurator Hirsch will mit der Schau vor allem „einen tieferen Blick auf Gigers frühe Phase“werfen. Unübersehb­ar sind aber auch Skulpturen seiner Alien-Wesen mit Kameraauge­n und Gehirnschl­äuchen sowie manche nicht jugendfrei­e, biomechani­sche Fantasien: Angst und Obsession liegen auch in Gigers „Erotomecha­nics“nahe beisammen. Ars Electronic­a endet am Ausstellun­g bis 29. 9.

Montag.

Newspapers in German

Newspapers from Austria