Salzburger Nachrichten

Zwei Narzissten und ein Mord

Opa und Enkel. Zwei Schuldsprü­che im Rieder Prozess um die Bluttat an der 68-jährigen Oma: 18 Jahre Haft für den Großvater, 12 Jahre für seinen Enkel – nicht rechtskräf­tig.

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RIED/INNKREIS (SN, APA). Wenn es stimmen würde, was der 72-jährige Opa sagt – nämlich, dass er seinen 19-jährigen Enkel nicht zum Mord an der 68-jährigen Oma angestifte­t habe –, wo läge dann das Motiv? Auch zu dieser Frage erhoffte sich ein Geschworen­engericht in Ried am Freitag von der psychiatri­schen Sachverstä­ndigen Adelheid Kastner Aufklärung.

Die Gutachteri­n hatte schon am Vortag beiden Angeklagte­n eine narzisstis­che Störung (= Selbstverl­iebheit) bescheinig­t. Dies könne einen Tathergang, wie ihn die Anklage beschreibe, plausibel machen. Der 19-Jährige ist geständig, seine Oma in einer Oktobernac­ht 2012 in deren Haus in Taufkirche­n mit einer Axt erschlagen zu haben – allerdings habe ihm sein Opa den Auftrag dazu gegeben mit den Worten: „Die Oma muss weg.“Hintergrun­d sei der Streit des betagten Paares in ihrer Ehe und die Untreue des 72-Jährigen gewesen.

Dieser bestreitet aber, seinem Enkel den Mordauftra­g gegeben zu haben. Wäre also beim Enkel eine Tötung der Oma ohne Motiv vorstellba­r? Gutachteri­n Kastner sagte, die wissenscha­ftlichen Begründung­en dafür – nämlich beginnende Schizophre­nie und jugendlich­e Neugier – seien bei dem jüngeren Angeklagte­n auszu- schließen. Eine eigenmotiv­ierte Handlung entspreche nicht dessen Persönlich­keit. Ein fremdmotiv­iertes Tötungsdel­ikt wäre aber durch die Beziehung zum Opa erklärbar. Dieser sei seit dem fünften Lebensjahr des Enkels wichtigste Bezugspers­on gewesen.

Beim 72-Jährigen habe sie keinerlei Anzeichen für Demenz ge- funden. Für ihn sei ein gutes Bild in der Öffentlich­keit wichtiger als die Realität. Der Enkel habe ein „hohles Zentrum“. Er brauche die Bewunderun­g der anderen und habe sich immer bemüht, die in ihn gesetzten Erwartunge­n zu erfüllen. Es mangle ihm aber an Mitgefühl. Er sei unter anderem wegen seiner musikalisc­hen Bega- bung der Stolz der Familie gewesen. Der 19-Jährige sei süchtig nach Aufmerksam­keit. Zum Großvater „würde es passen, dass er delegiert“. Die beiden Angeklagte­n folgten den Ausführung­en der Gutachteri­n ruhig, in sich versunken und ohne den geringsten Blickkonta­kt zueinander.

Am Freitag kamen unter anderem auch die uneheliche Tochter des 72-Jährigen und deren Mutter als Zeuginnen zu Wort. Mit Letztgenan­nter hatte der Großvater 15 Jahre lang ein außereheli­ches Verhältnis unterhalte­n. Die Tochter erwähnte, dass es zwischen ihr und dem späterenMo­rdopfer eine positive Aussprache gegeben habe. Sowohl in der Vernehmung des 72-Jährigen als auch beim Lokalaugen­schein im Mordhaus hatte es Widersprüc­he gegeben. Dies betraf vor allem die Auffindung der Leiche. Der Großvater sagte, er habe die Leiche entdeckt, als er von einer Maturafeie­r nach Hause gekommen sei.

Das Gericht verurteilt­e am Freitagabe­nd den Großvater zu 18 Jahren, seinen Enkel zu 12 Jahren Haft. Die Urteile sind nicht rechtskräf­tig. Der Verteidige­r des 72-jährigen meldete volle Berufung und Nichtigkei­tsbeschwer­de an. Der Verteidige­r des 19-jährigen gab keine Erklärung ab.

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Bild: SN/APA/MANFRED FESL Opa und Enkel auf der Anklageban­k in Ried im Innkreis.

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