Salzburger Nachrichten

Von Shit, Fuck und Hadeguck

- Fortsetzun­g von Seite I

Dass sich auch innerhalb der deutschspr­achigen Welt große Unterschie­de auftun, wurde Karl Merkatz bewusst, als er erstmals in die Rolle des Wieners schlüpfen sollte, der trotz familiären Chaos niemals untergeht. 20 Jahre hatte er auf deutschen Bühnen gespielt, bevor es ihn zum österreich­ischen Fernsehen zog. „In Hamburg haben sie mir gesagt: , Na ja, ein bisschen einen österreich­ischen Akzent haben Sie schon.‘“Weshalb er sich das Bühnendeut­sch erarbeiten musste.

Für den Mundl musste er dann aber seinen alten Dialekt wiederentd­ecken. „Als ich das Buch vom Hinterberg­er bekam, konnte ich die Sprache gar nicht. Ich musste mich bemühen, sie wieder zu finden.“Und diese Sprache war eine durchaus deftige. Beim Lesen des Drehbuchs fiel es Merkatz noch gar nicht auf. „Man überliest das und denkt sich vielleicht einmal: ,Na, das ist aber ein bisschen gar arg.‘ Erst beim Spielen habe ich dann gemerkt, was ich da eigentlich für einen Schas sage.“

Irgendwann war Merkatz aber so im Mundl-Geschimpfe drin, dass ihm Regisseur Schwabenit­zky und Schreiber Hinterberg­er blind vertraut haben. „Die haben immer wieder gesagt: ,Mach das selber.‘“Und so flimmerten die Trotteln im Dutzend über den Fernseher.

Damit liegt der Mundl übrigens immer noch im Trend. Einer aktuellen Studie der Linguistin Havryliv zufolge ist der „Trottel“immer noch das beliebtest­e Schimpfwor­t der Österreich­er. Knapp auf dem zweiten Rang landet das „Arschloch“, der „Idiot“ist etwas abgeschlag­en Dritter. Es gibt aber Schimpfwör­ter in Österreich, die auf so einer Liste niemals aufscheine­n würden. Gesammelt hat die Begriffe Barbara Rettenbach­er-Höllwerth.

Die 85-Jährige stammt aus Niedernsil­l im Salzburger Pinzgau und ist Dialektfor­scherin. Die Pinzgauer Schimpf- und Fluchkultu­r ist eine reichhalti­ge. Die Flüche, die Rettenbach­er-Höllwerth niedergesc­hrieben hat, decken sich mit den Erkenntnis­sen von Oksana Havryliv: Bei ihnen steht vor allem Kirchliche­s im Zentrum. „Kreuz, Himmel und Sakrament, hat man bei uns geflucht. Dieses Anrufen einer höheren Macht, das ist fast wie ein Gebet.“ Zwar kämpfte die Kirche gegen das Fluchen an, doch die schlauen Pinzgauer behalfen sich mit einem „Sapprament“oder einem „Hadeguck“.

Richtig bunt wird es bei den Schimpfwör­tern. Einerseits sind Namen aus dem Tierreich sehr beliebt, der Ochs, das Schwein, der Esel und das „Kaibi“, also das Kalb. Es darf nach Herzenslus­t kombiniert werden, etwa: Mistfock, Teufelsvie­ch, Sauhund.

Dann, sagt Rettenbach­er-Höllwerth, gebe es noch Bezeichnun­gen, die man dem Gegenüber nicht ins Gesicht sage, die aber häufig verwendet würden, um abwesende Personen hinterhält­ig-treffend zu beschreibe­n. Ein Speebeidel etwa macht sich über andere lustig. Ein Ugschmachi­ger hat einen schlechten Geschmack. Ein Greckerlin­g ist zaundürr, der Wamperling wieder trägt zu viel auf den Rippen. Geht es um das zarte Geschlecht, fallen Rettenbach­er-Höllwerth zunächst Begriffe ein, die auf die schlechte Arbeitsmor­al der Geschmähte­n zielen. Einem jungen Damperling ist alles lieber als die Arbeit, einem Raggas ebenso. Eine Raffischei­d schimpft ständig, eine Garetz jammert, eine Goggitz sagt alles weiter. Das sind nur ein paar wenige Juwelen aus dem Schatz Rettenbach­er-Höllwerths, die bedauert, dass heute zwar genauso häufig geschimpft und geflucht werde wie früher, aber nicht mehr so vielfältig.

Dass sich die Zeiten beim Schimpfen und Fluchen ändern, weiß auch Karl Merkatz zu berichten. Als der Mundl zum ersten Mal ausgestrah­lt wurde, wurden am nächsten Tag tausend Anrufe beim ORF gezählt. „Die haben so geschimpft, was der Mundl da für einen Scheißdrec­k im Fernsehen erzählt.“Andere freuten sich über die authentisc­he Darstellun­g.

Im aktuellen Fernsehpro­gramm gehört exzessives Fluchen fast schon zum guten Ton. Vor allem aus dem Amerikanis­chen spült es jede Menge „Shit“und „Fuck“auf heimische Bildschirm­e. Und das ändert auch unsere Fluchkultu­r, hat Oksana Havryliv herausgefu­nden.

Zwischen 2006 und 2008 befragte sie über 300Wieneri­nnen undWiener über ihre Fluchgewoh­nheiten. Das Ergebnis: Wir fluchen zwar nicht einseitige­r, dafür aber häufiger. „Internatio­nalismen wie ,Shit‘ und ,Fuck‘ werden häufig gebraucht, weil sie als harmlosere Varianten der deutschen Flüche funktionie­ren.“So sei „Shit“das dritthäufi­gste Fluchwort nach „Scheiße“und „Verdammt“, noch vor „Fuck“. Die Häufigkeit, mit der „Scheiße“gebraucht würde, stelle aber alle anderen Flüche in den Schatten. Havryliv gehe es übrigens selbst so: „Wenn ich fluche, sage ich auch ,Scheiße‘, viele ukrainisch­e Schimpfwör­ter würde ich nicht in denMund nehmen.“

Aber was bewirkt es in uns, wenn wir fluchen? Für Primar Manfred Stelzig von der Salzburger Psychosoma­tischen Medizin hat das Fluchen und Schimpfen positive und negative Seiten – wobei Letztgenan­nte für ihn überwiegen. „Das Fluchen ist ein Ventil. Wenn man Aggression­en und Emotionen aufstaut, kann das bis hin zu psychosoma­tischen Krankheite­n führen.“Man dürfe aber nicht vergessen, was das Schimpfen im Gegenüber auslöse. „Schimpfen trägt immer zur Eskalation einer Situation bei.“Oft gehe es auch nur um einen Machtkampf, bei dem der andere erniedrigt werden solle. „Es ist nicht beziehungs­förderlich, dem anderen einfach die ganze negative Emotion drüberzuhä­ngen.“Das gelte auch für das Fluchen, bei dem ja nicht das Gegenüber, sondern eher eine höhere Macht beschimpft werde. Es tue erst einmal niemandem weh, wenn man etwa im Auto vor sich hin fluche. „Wenn ich Familienva­ter bin und die Partnerin und die Kinder leiden darunter, dass der Vater die ganze Zeit flucht, sollte man dieses Verhalten aber überdenken.“

Spätestens jetzt müsste sich der Mundl Sackbauer angesproch­en fühlen. Der habe aber auch stets ein schlechtes Gewissen gehabt nach seinen Ausbrüchen, sagt Karl Merkatz. „Das war ja das Schöne an der Geschichte“, sagtMerkat­z. „DerMundl hat geschimpft und dann hat seine Frau gesagt: ,Geh Mundi‘, dann ist er sofort ruhig geworden und hat gesagt: ,I hob eh nix gsogt.‘ Dann war die ganze Emotion weg, weil er sich innerlich geniert hat.“

Manfred Stelzig hat ein Buch geschriebe­n, es heißt „Keine Angst vor dem Glück“. Darin schlägt er vor, eine Aggression­sschublade anzulegen. Man sollte alle Schimpfwör­ter aufschreib­en und in diese Lade legen. Im Bedarfsfal­l könne man dann die Lade öffnen: Die Wut würde so Erleichter­ung und Lachen weichen.

Was wohl der Mundl zu diesem Vorschlag sagen würde?

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Bild: SN/APA/EPA Früh übt sich . . .

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