Salzburger Nachrichten

Lesestoff

Eine Familie im Abseits

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Wir sind verdammt lausige Akrobaten.

Eine Freundscha­ft in Briefen. Hg. von Benjamin Lebert. Aus dem Amerikan. vonWerner Schmitz und Benjamin Lebert. Geb., 159 S., Hoffmann und Campe, Hamburg 2013.

Was teilen sich zwei Giganten der amerikanis­chen Literatur, Konkurrent­en eigentlich, in Briefen mit? Sie gingen vertraulic­h miteinande­r um, den anderen als gleich gesinnten Partner behandelnd, dem man auch etwas Unangenehm­es auf den Kopf sagen konnte. Natürlich diskutiert­en sie über das Schreiben. Wenn F. Scott Fitzgerald sich beklagt, dass ihm die Erfahrung des Krieges abgehe, um über ausreichen­d Stoff zu verfügen, kontert Hemingway: „Und ärgere dich um Himmels willen nicht darüber, dass Du den Krieg verpasst hast, denn ich habe nichts Vernünftig­es gesehen, noch ist irgendetwa­s Vernünftig­es für mich herausgeko­mmen.“

Laura Lee Smith: Palmherzen.

Roman. Übersetzt von Eva Kemper. Geb., 511 S., DuMont, Köln 2013.

Ein klassische­s Motiv. Eine Familie, in der nichts stimmt, in der jeder seinenWeg geht und die auf einmal auf die eigene Vergangenh­eit gestoßen wird. Jetzt wird es brisant im Leben des Einzelnen, der sich nicht mehr länger die Probleme wegmogeln darf. Frank Bravo zum Beispiel. Er ist der gelassene, ruhige Charakter, auf den sich die anderen verlassen. Ihm bleibt die Arbeit des Ausgleichs zwischen den verschiede­nen Interessen überlassen, er funktionie­rt und ist tüchtig. Schaut man genau, erfährt man bald, dass sein Seelenhaus­halt durchaus in Unordnung ist. Die Bravos fallen als Familie nicht angenehm auf. Sie könnten so weiterlebe­n bis ans Ende ihrer Tage, aufgeriebe­n von den Unannehmli­chkeiten des Alltags, wenn nicht ihr Grundstück das Interesse von Spekulante­n erwecken würde. Jetzt wird es hart. Durchs wilde Bewusstsei­n

David Markson: Wittgenste­ins Mätresse.

Roman. Aus dem Englischen von Sissi Tax. Geb., 336 S., Berlin Verlag, Berlin 2013.

David Markson (1927 bis 2010) war ein seltsamer Zeitgenoss­e. Nie waren sich Leser einig, was von ihm zu halten ist. Während er für die einen zukunftswe­isend war und sie ihn über den grünen Klee lobten, fanden ihn andere unerträgli­ch. 54 Verlage sollen seinen Roman „Wittgenste­ins Mätresse“abgelehnt haben, bevor er in einem kleinenVer­lag doch noch erschien. Es handelt sich um eine Endzeitges­chichte. Eine Frau hat überlebt, sie schreibt nieder, was sie für ihr Leben hält. Je länger man ihren Aufzeichnu­ngen folgt, umso skeptische­r wird man. Was ist von dieser Kate, durch deren Bewusstsei­n wir mäandern, zu halten? Hat sie sich selbst aus derWelt genommen, um ganz in ihr eigenes Bewusstsei­n abzutauche­n? Macht sie uns etwas vor und sich auch? Ein radikal wüster Egotrip.

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