Salzburger Nachrichten

Prinzessin­nen von A bis Z

A wie Apfel, E wie Esel, Mwie Maus. Seit jeher dienen Bilder, Reime und Lieder dazu, Kinder mit Buchstaben vertraut zu machen. Doch hinter den Zeichen verbirgt sich eine fasziniere­ndeWelt der Sprache, des Denkens und der Poesie. Willy Puchner sorgt dafür,

- REINHARD EHGARTNER

Das Alphabet ist Ordnung und Geheimnis, Spiel und System. Bereits auf antiken griechisch­en Vasen finden wir diese Zeichenket­ten beschwören­d eingebrann­t und früh zeigen sich Ansätze für künstleris­che Ausdrucksf­ormen – ablesbar am Psalm 119, dessen Versanfäng­e den 22 Buchstaben des hebräische­n Alphabets folgen. Ein heiliger Text als Bausteinka­sten des Schriftsys­tems.

In Andeutunge­n, Verdichtun­gen und Verschlüss­elungen tauchen die Buchstaben auch in unzähligen Kunstwerke­n auf und treten in geheimnisv­olle Kommunikat­ion mit ihren Betrachter­innen und Betrachter­n. Kunstwerke erzählen aber nicht nur von derWelt, sie erzählen auch von den Künstlerin­nen und Künstlern – in Willy Puchners „ABC der fabelhafte­n Prinzessin­nen“ist dies nicht anders. Man kann dieses Bilderbuch als eine Art Spiegelges­chichte zu früheren Arbeiten lesen. Hierzu ein kleines Märchen: Es war einmal ein Prinz namensWill­y, den es hinaustrie­b, die Welt zu entdecken. In seinem Gefolge fanden sich Joe und Sally, zwei Pinguine, die ihn überallhin begleitete­n. Während er sich um ihr Weiterkomm­en kümmerte, sorgten sie dafür, dass der Prinz in der Fremde das Vertraute nie verlor und er überall Aufmerksam­keit und Aufnahme fand. So reisten die drei über mehrere Jahre durch Wüsten und Städte, durchkreuz­ten die Meere und zogen eine bleibende Spur, indem sie sich und die Welt in Bil- dern festhielte­n und damit einen neuen Blick auf die Wunder zwischen New York und Venedig, Sydney und Peking eröffneten. Welttrunke­n, müde und verwandelt kehrten sie wieder heim.

Aus diesem gar nicht so unwirklich­en Märchen, es spielte Ende der Achtzigerj­ahre, ging 1992 Willy Puchners „Sehnsucht der Pinguine“hervor, das als gleicherma­ßen absurdes wie poetisches Reisefotoa­lbum großes Aufsehen erregte, zwei Kunststoff­pinguinen einen Eintrag in die Wikipedia-Enzyklopäd­ie bescherte und ihnen noch Jahre später skurrile Auftritte in der Österreich-Werbung brachte.

Willy Puchners „ABC der fabelhafte­n Prinzessin­nen“lässt sich als Gegenentwu­rf zu diesem fantastisc­hen Aufbruchsm­ärchen lesen. Wie bei den Pinguinen haben wir es auch hier mit aufrecht gehenden, scheint’s flugunfähi­gen Vögeln zu tun. Ihren Frack haben sie gegen prächtige Prinzessin­nenkleider eingetausc­ht, das zwischenme­nschliche Beziehungs­geschehen ist ihnen nicht fremd.

Prinz Willem, der verspielte Jüngling, ist in ein Alter gekommen, in dem ihn Frauen interessie­ren sollten. Tagelang spielt er auf seiner Trommel und auf seinem Saxofon, träumt von der weiten Welt und schaut zum Fenster hinaus. Seine Vogelfamil­ie beschließt, Prinzessin­nen von überall her für ihn anreisen zu lassen, sodass sie sich bei ihm vorstellen können.

So weit der Eingang und Rahmen der Geschichte. Ein wenig selbstvers­ponnen und verträumt erscheint dieser Prinz und so tritt die königliche Etikette auf den Plan: Wenn die Kraft für den Aufbruch nicht reicht, holt man eben die exotische Welt zu sich nach Hause. Die königliche­n Damen lassen sich nicht lang bitten und so betreten in Folge 26 Prinzessin­nen von A bis Z den royalen Catwalk, um mit der Beschreibu­ng ihres Wesens und ihrer Vorlieben jeweils einen Buchstaben des Alphabets zu repräsenti­eren. Prinzessin Apfelsine aus Aachen hat esmehr mit Artischock­en und Azukibohne­n, mit Akkordeons­piel in Addis Abeba und Akazien in Andorra. Jeder Prinzessin gebührt eine Doppelseit­e, bis schließlic­h Prinzessin Zenobia mit ihren Vorlieben für Zander mit Zeller, Zuckererbs­en und Zitronenei­s den Casting-Reigen beendet.

Länder, Städte, Essen, Charakter, Gegenständ­e, Hobbys – konsequent von A bis Z. Das Muster zieht sich durch. Wer nur über die monotone Oberfläche der Handlung blättert, wird mit diesem Buch schnell fertig sein, sein Reiz und sein Reichtum liegen tiefer. Geht man nämlich in die Bilder und Texte hinein, so stößt man zunehmend auf Fäden und Verbindung­en und gerät in ein immer dichteres Netz an Bezügen: Formen und Farben, Satzspiege­l und Stoffmuste­r, Zahlen und Zungenbrec­her treten miteinande­r in ein Gespräch. Das Bild öffnet sich zum Raum.

Das Bilderbuch bestätigt das Markenzeic­hen von Willy Puchner – das rückhaltlo­se Insistiere­n auf einer Idee. Durch die oberflächl­iche Vertrauthe­it hindurch wird einer Vorstellun­g so lang auf den Grund gegangen, bis eine neue Wahrnehmun­g daraus hervortrit­t. Doch bei aller Faszinatio­n der Konzepte darf der Zeichner Willy Puchner dabei nicht übersehen werden – allein die entworfene­n Farbwelten, die Variatione­n der Bildhinter­gründe und die Fantastik der Kleiderent­würfe machen das Bilderbuch zum Schauerleb­nis.

Am Ende des Buches haben die Prinzessin­nen dieser Welt das Alphabet auf die Reihe gebracht, nicht jedoch Prinz Willem seine Beziehungs­probleme. Der begehrte Jüngling bleibt zögerlich, was dem ganzen Geschehen auch ohne Hochzeit die Krone aufsetzt.

Die „fabelhafte­n Prinzessin­nen“können im Literaturh­aus Salzburg bewundert werden. Vernissage ist am Freitag, dem 13. September, um 19.30 Uhr, die Ausstellun­g läuft bis 19. Dezember 2013.

Willy Puchner: ABC der fabelhafte­n Prinzessin­nen. NordSüd-Verlag 2013.

56 S., € 20,60.

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