Frau Direktor trocknet Tränen
Schulbeginn. 27-jährige Tamswegerin leitet in ihrer Heimat eine kleine Volksschule mit nur 13 Schülern. Sie erinnert sich an ihren eigenen, gar nicht so leichten Start in die Schulkarriere.
TAMSWEG (SN). Wenn am Montag das Schuljahr beginnt und vielleicht beim einen oder anderen Taferlklassler Tränen fließen, weil er lieber bei der Mama daheimbleiben möchte, dann kann die junge Frau Direktor in der kleinen Volksschule Seetal bei Tamsweg sehr gut mitfühlen: Elisabeth Angermann erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis beim eigenen Schulstart. „Ich wollte anfangs gar nicht in der Schule bleiben.“
Ihre Lehrerin hat es geschafft, dass die kleine Lisi mit großer Freude zur Schule ging. „Sie hat mich und meine Eltern zu sich eingeladen und mir einen Stoffbären geschenkt, der mich begleitet hat“, erzählt die Tamswegerin. Von der Mutter erhielt sie Schulzeug für den Stoffbären. So machte die Erst- klasslerin zwei Hausübungen: die eigene und eine für den Begleiter – mit Ministiften in einem Miniheft.
Zu dem Trick mit dem Bären musste Elisabeth Angermann als Lehrerin noch nie greifen. Aber das große Engagement ihrer Lehrerin hat sie tief beeindruckt. Nach dem Gymnasium in Tamsweg und zwei Semestern Anglistik und Slawistik an der Universität Salzburg entschied sich Elisabeth selbst fürs Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule. Dann hat sie in der Landeshauptstadt unterrichtet und die Nachmittagsbetreuung an der Volksschule Maxglan II geleitet, ehe die Lungauerin 2010 in ihren Bezirk heimkehrte. Nach einem Jahr an der VS Mauterndorf wurde sie Klassenlehrerin an der VS Seetal, seit einem Jahr ist sie Direktorin. Zwischen dem multikulturellen Maxglan und dem abgeschiedenen Seetal an der steirischen Landesgrenze liegen Welten. Die junge Lungauerin schätzt beides.
Multikulturell ist hier allerdings nichts. Sieht man von den – gar nicht so fremden – Steirern ab. 13 Schüler (acht Mäd- chen und fünf Buben) gehen in Seetal zur Schule, davon etwa die Hälfte aus dem Nachbardorf Fresen, das zur steirischen Gemeinde Ranten gehört. Im Vorjahr hatte die einklassige Schule elf Schüler. Die Schule hält die Dorfgemeinschaft Seetal-Fresen am Leben. „Ich bin selbst auf einem Ärmel grün“, sagt die Klassenlehrerin, deu- tet auf ihre Schulter und meint: Ein bisschen ist sie Steirerin.
Das Leben in der Stadt Salzburg hat die Tamswegerin genossen. Aber in der Heimat ist es doch am schönsten. Die 27Jährige ist in einer großen Familie mit sechs Geschwistern aufgewachsen, den Umgang mit Kindern gewöhnt und im Lungau tief verwurzelt. Die kleine Schule, die im Vorjahr ihr 100Jahr-Jubiläum feierte, ist eine riesengroße Herausforderung. Mit sechs Lehrplänen: vier Jahrgänge plus die Vorstufe und ein Integrationskind. Eine Teamlehrerin unterstützt die Klassenlehrerin, die sich nicht so sehr als Schulleiterin fühlt.
„Man kennt jedes Kind genau, seine Fähigkeiten, Stärken und Schwächen, auch den familiären Rahmen. So können wir jede Schülerin und jeden Schüler individuell fördern und fordern. Die Kinder profitieren sehr von der Mischung der Jahrgänge.“Soziales Lernen sei selbstverständlich, Groß und Klein seien vernetzt, die Natur sei Abenteuerspielplatz und Turnsaal zugleich. Die Seetaler Lehrerinnen arbeiten mit verschiedenen Pädagogiken, Montessori zum Beispiel, und mit offenem Lernen. „Wir picken uns überall das Beste heraus.“
Die Kinder sind von ihrer Lehrerin begeistert. Eine Schülerin machte ihr sogar die Frisur mit Seitenscheitel nach. Die Frau Lehrerin ist ein Model. Diesen Ferialjob aus Studienzeiten hat sie nicht aufgegeben. Die Modeaufnahmen gefallen den Kleinen. Eine Schülerin hat ihre Frau Lehrerin aus Katalogen ausgeschnitten und ihr eine Collage geschenkt.
Dass ihr Partner Daniel, ein Polizist, ebenfalls seinen Arbeitsplatz im Lungau erhielt, hat Elisabeth Angermann die Heimkehr versüßt. Und der Sport in den Lungauer Bergen lockt sommers wie winters.