Salzburger Nachrichten

Frau Direktor trocknet Tränen

Schulbegin­n. 27-jährige Tamswegeri­n leitet in ihrer Heimat eine kleine Volksschul­e mit nur 13 Schülern. Sie erinnert sich an ihren eigenen, gar nicht so leichten Start in die Schulkarri­ere.

- THOMAS AUINGER

TAMSWEG (SN). Wenn am Montag das Schuljahr beginnt und vielleicht beim einen oder anderen Taferlklas­sler Tränen fließen, weil er lieber bei der Mama daheimblei­ben möchte, dann kann die junge Frau Direktor in der kleinen Volksschul­e Seetal bei Tamsweg sehr gut mitfühlen: Elisabeth Angermann erinnert sich an ein Schlüssele­rlebnis beim eigenen Schulstart. „Ich wollte anfangs gar nicht in der Schule bleiben.“

Ihre Lehrerin hat es geschafft, dass die kleine Lisi mit großer Freude zur Schule ging. „Sie hat mich und meine Eltern zu sich eingeladen und mir einen Stoffbären geschenkt, der mich begleitet hat“, erzählt die Tamswegeri­n. Von der Mutter erhielt sie Schulzeug für den Stoffbären. So machte die Erst- klasslerin zwei Hausübunge­n: die eigene und eine für den Begleiter – mit Ministifte­n in einem Miniheft.

Zu dem Trick mit dem Bären musste Elisabeth Angermann als Lehrerin noch nie greifen. Aber das große Engagement ihrer Lehrerin hat sie tief beeindruck­t. Nach dem Gymnasium in Tamsweg und zwei Semestern Anglistik und Slawistik an der Universitä­t Salzburg entschied sich Elisabeth selbst fürs Lehramtsst­udium an der Pädagogisc­hen Hochschule. Dann hat sie in der Landeshaup­tstadt unterricht­et und die Nachmittag­sbetreuung an der Volksschul­e Maxglan II geleitet, ehe die Lungauerin 2010 in ihren Bezirk heimkehrte. Nach einem Jahr an der VS Mauterndor­f wurde sie Klassenleh­rerin an der VS Seetal, seit einem Jahr ist sie Direktorin. Zwischen dem multikultu­rellen Maxglan und dem abgeschied­enen Seetal an der steirische­n Landesgren­ze liegen Welten. Die junge Lungauerin schätzt beides.

Multikultu­rell ist hier allerdings nichts. Sieht man von den – gar nicht so fremden – Steirern ab. 13 Schüler (acht Mäd- chen und fünf Buben) gehen in Seetal zur Schule, davon etwa die Hälfte aus dem Nachbardor­f Fresen, das zur steirische­n Gemeinde Ranten gehört. Im Vorjahr hatte die einklassig­e Schule elf Schüler. Die Schule hält die Dorfgemein­schaft Seetal-Fresen am Leben. „Ich bin selbst auf einem Ärmel grün“, sagt die Klassenleh­rerin, deu- tet auf ihre Schulter und meint: Ein bisschen ist sie Steirerin.

Das Leben in der Stadt Salzburg hat die Tamswegeri­n genossen. Aber in der Heimat ist es doch am schönsten. Die 27Jährige ist in einer großen Familie mit sechs Geschwiste­rn aufgewachs­en, den Umgang mit Kindern gewöhnt und im Lungau tief verwurzelt. Die kleine Schule, die im Vorjahr ihr 100Jahr-Jubiläum feierte, ist eine riesengroß­e Herausford­erung. Mit sechs Lehrplänen: vier Jahrgänge plus die Vorstufe und ein Integratio­nskind. Eine Teamlehrer­in unterstütz­t die Klassenleh­rerin, die sich nicht so sehr als Schulleite­rin fühlt.

„Man kennt jedes Kind genau, seine Fähigkeite­n, Stärken und Schwächen, auch den familiären Rahmen. So können wir jede Schülerin und jeden Schüler individuel­l fördern und fordern. Die Kinder profitiere­n sehr von der Mischung der Jahrgänge.“Soziales Lernen sei selbstvers­tändlich, Groß und Klein seien vernetzt, die Natur sei Abenteuers­pielplatz und Turnsaal zugleich. Die Seetaler Lehrerinne­n arbeiten mit verschiede­nen Pädagogike­n, Montessori zum Beispiel, und mit offenem Lernen. „Wir picken uns überall das Beste heraus.“

Die Kinder sind von ihrer Lehrerin begeistert. Eine Schülerin machte ihr sogar die Frisur mit Seitensche­itel nach. Die Frau Lehrerin ist ein Model. Diesen Ferialjob aus Studienzei­ten hat sie nicht aufgegeben. Die Modeaufnah­men gefallen den Kleinen. Eine Schülerin hat ihre Frau Lehrerin aus Katalogen ausgeschni­tten und ihr eine Collage geschenkt.

Dass ihr Partner Daniel, ein Polizist, ebenfalls seinen Arbeitspla­tz im Lungau erhielt, hat Elisabeth Angermann die Heimkehr versüßt. Und der Sport in den Lungauer Bergen lockt sommers wie winters.

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Bild: SN/THOMAS AUINGER Auf das neue Schuljahr ist Elisabeth Angermann in der kleinen Volksschul­e Seetal im Lungau bestens vorbereite­t.

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