Salzburger Nachrichten

USA und der Iran reden über eine Annäherung

Diplomatie. Im Atomstreit desWestens mit Teheran gibt es nach jahrelange­m Stillstand nun plötzlich Hoffnung.

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NEW YORK, WIEN (SN, dpa, APA). Premiere bei der UNO in New York: Nach all dem Streit um das iranische Atomprogra­mm sitzen die Außenminis­ter der fünf Ständigen Mitglieder im Weltsicher­heitsrat und Deutschlan­ds (5+1Staaten) erstmals zusammen mit ihrem iranischen Kollegen am Tisch. Für Mohammed Dschawad Sarif – so heißt der neue Mann aus Teheran – und US-Ressortche­f John Kerry ist es das erste Treffen überhaupt. Beide Länder unterhalte­n seit gut 30 Jahren keine diplomatis­chen Beziehunge­n mehr miteinande­r.

Optimismus vor dem ungewöhnli­chen Treffen: John Kerry betonte, er glaube, dass es der Iran ernst meine. Sein iranischer Kollege Sarif versichert­e: „Wir wollen hier in New York keine Show abziehen, sondern in kürzester Zeit konkrete Ergebnisse erzielen.“

Möglich geworden ist die neue Runde durch den Kurs der Öffnung, den Irans neuer Präsident Hassan Rohani angeschlag­en hat. Der gemäßigte schiitisch­e Kleriker beharrt zwar auf dem Recht seines Landes, die Atomkraft friedlich nutzen zu dürfen, und beteuert, keinesfall­s eine Atombombe bauen zu wollen. Aber im Unterschie­d zu seinem Vorgänger Machmud Ahmadineds­chad zeigt er sich nach dem Eindruck etlicher Beobachter auch glaubhaft zu Gesprächen über das Nuklearpro­gramm bereit.

Jetzt geht es darum, herauszufi­nden, ob man ihm tatsächlic­h trauen kann – und das soll schnell geschehen. An einer baldigen Klä- rung haben augenschei­nlich beide Seiten Interesse.

Die internatio­nale Gemeinscha­ft, weil man weiterhin den Verdacht hat, dass der Iran mit der Entwicklun­g einer eigenen Atombombe schon ziemlich weit ist. Experten gehen davon aus, dass Teheran inzwischen über 185 Kilogramm hoch angereiche­rtes Uran verfügt. Für eine Bombe braucht man etwa 250 Kilogramm.

„Den Worten müssen jetzt Taten folgen“, sagen Deutschlan­ds Noch-Außenminis­ter Guido Westerwell­e (FDP) und die anderen.

Aber auch der Iran drückt jetzt aufs Tempo. „Es ist eine Frage von Monaten, nicht von Jahren“, mahnte Rohani selbst in der USZeitung „Washington Post“vor Beginn der Gespräche. „Eine kurze Frist ist ein Vorteil für jeden.“Das hat damit zu tun, dass sein neuer Kurs auch von vielen zu Hause misstrauis­ch verfolgt wird. „Der ultrakonse­rvative Klerus und die Ahmadineds­chad-Fraktion warten auf eine Pleite Rohanis, um politisch zurückzusc­hlagen“, erklärt ein iranischer Beobachter.

Aber der Druck kommt auch von Rohanis Befürworte­rn. „Mit schönenWor­ten in der UNO kann man nicht seine Miete bezahlen“, sagt ein iranischer Abgeordnet­er. Die Sanktionen haben das Land in den vergangene­n 20 Monaten in eine beispiello­se Wirtschaft­skrise geführt. Nicht nur der Ölexport, das Haupteinko­mmen des Landes, ist zur Hälfte lahmgelegt. Wegen der nicht mehr vorhandene­n Bankverbin­dungen kann das Land de facto vom Westen weder etwas kaufen noch verkaufen. Vieles ist viel teurer geworden.

Trotz der Absichtser­klärungen von allen Seiten ist aber nicht mit sofortigen Ergebnisse­n zu rechnen. Wichtigste­s Ziel ist zunächst einmal, Vertrauen aufzubauen. Dazu müssen auch einige Formalien geklärt werden – zum Beispiel, auf welcher Ebene künftig miteinande­r verhandelt wird und mit welchen Sachthemen dann begonnen wird. Die Hoffnung, dass der Iran schon in den nächsten Tagen mit konkreten Angeboten kommt, halten viele für verfrüht.

Weiter geht es heute, Freitag, in Wien. Dort finden Gespräche zwischen der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) und dem Iran statt. Die nächsten 5+1-Verhandlun­gen sind im Oktober. Hier hofft man auf ein klares Signal.

Im Iran erläuterte der einflussre­iche Ex-Präsident Haschemi Rafsandsch­ani die politische Marschrich­tung seines Landes so: Mit Washington „weder Gespräche zu führen noch zu verhandeln“, sei „auf Dauer nicht haltbar und keine Lösung“. „Der Iran kann mit den USA ebenso diplomatis­che Beziehunge­n unterhalte­n wie mit Europa, China oder Russland.“

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