Salzburger Nachrichten

GEMEINWIRT­SCHAFT: Die Sparer leiden, die Anleger jubeln.

Geldgeschä­fte. Das Jahr endet mit rauschende­n Festen jener Finanzmärk­te, die dieWeltwir­tschaft 2008 an den Abgrund brachten. Während die Sparer noch immer arg leiden, jubeln Aktionäre wieder. Das hat System und ist ungerecht.

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Während die reale Wirtschaft speziell in Europa noch heute an den fatalen Folgen des Crashs im Jahr 2008 leidet, lassen die damaligen Hauptverur­sacher längst wieder die Champagner­korken knallen. Die Finanzmärk­te knacken in diesen Tagen historisch­e Rekorde, die Aktien haben seit den dramatisch­en Tagen im Herbst 2008 ihre Kurse verdoppelt, verdreifac­ht, zum Teil sogar vervierfac­ht. Im wirklichen Leben kann man von solchen Zahlen nur träumen. Da steigen höchstens Schulden und Arbeitslos­enzahlen, die Wachstumsr­aten dümpeln dagegen auf niedrigem Niveau dahin.

Was hatte die Politik nach dem Drama 2008 nicht alles versproche­n? Die Finanzmärk­te würden stärker kontrollie­rt, problemati­sche Wettgeschä­fte an den Börsen überhaupt verboten. Es könne ja nicht ohne Konsequenz­en bleiben, dass verantwort­ungslose Zocker die ganze Weltwirtsc­haft an den Abgrund führen könnten. Auch für Otto Normalverb­raucher hatten Experten wie Politiker staatstrag­ende Ratschläge parat: Die Märkte seien unkalkulie­rbar. Deshalb Hände weg von Aktien und riskanten Geschäften. Nur ja kein Risiko eingehen bei der Geldanlage!

All jene, die sich daran hielten (und das waren fast alle), müssen sich heute fragen: Was haben wir falsch gemacht? Auf den (sicheren) Sparbücher­n und bei den noch halbwegs sicheren Staatsanle­ihen wird das Geld nicht mehr, sondern Jahr für Jahr weniger, weil die minimalen Renditen nicht einmal die Geldentwer­tung hereinbrin­gen. Und jene (wenigen) Wagemutige­n und Zocker, die die offizielle­n Fingerzeig­e ignorierte­n, haben fette Gewinne in ihren Depots angesammel­t. Der wichtigste Aktieninde­x der Welt, der New Yorker Dow-JonesIndex, schoss vor wenigen Tagen erstmals über die Marke von 16.000 Punkten. Anfang 2009, als die Krise auf dem Höhepunkt war, notierte er bei gerade 6450 Punkten. Selbst wer erst 2011 oder 2012 einstieg, hat noch immer eine Rendite von fast 50 Prozent geschafft.

Ist das gerecht? Geht das in dieser Tonart weiter? Läuft hier nicht Fundamenta­les schief? Fragen, die nach Antworten schreien. Ja, es kann so weitergehe­n, aber nicht ewig. Und ja, hier läuft Fundamenta­les schief. Aber der Reihe nach: Gut möglich, dass es noch einige Monate oder ein Jahr mit steigenden Kursen weitergeht. Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste große Krach an den Finanzmärk­ten stattfinde­t. Schon heute sind die Kurse überbewert­et, haben sich von der realen Wirtschaft entkoppelt und führen in ihrer markttechn­ischen Logik ein bizarres Eigenleben. Im Fachchines­isch spricht man von Spekulatio­nsblasen. Und wenn die platzen, folgt der große Absturz, der wohl auch diesmal die reale Welt mitreißt und dramatisch­e Verluste mit sich bringt. Das haben wir (nicht nur) 2008 mit Entsetzen erlebt.

Doch diese Logik der Finanzmärk­te ist nicht schicksalh­aft, sie ist von Menschenha­nd gemacht und wurde nach dem Drama 2008 ganz und gar nicht korrigiert, sondern sogar noch verschärft. Genau das macht die Sache derart ärgerlich, fatal, ja empörend. Triebfeder ist eine globale Geldflut von nie da gewesenem Ausmaß. Die Notenbanke­n haben zuerst die Leitzinsen gegen null gedrückt und fluten die Märkte jetzt zusätzlich mit gigantisch­en Aufkäufen von (maroden) Staatsanle­ihen und Wertpapier­en. Sie machen das natürlich nicht aus Jux und Tollerei. Das Billiggeld soll erstens die Wirtschaft wieder beleben und zweitens das angeschlag­ene Finanzsyst­em stabilisie­ren. Was mehr recht als schlecht gelingt, zugleich aber verheerend­e Nebenwirku­ngen hat. Das viele Geld muss ja auch arbeiten – und fließt mangels lukrativer Veranlagun­gen in der realen Welt in großen Mengen eben wieder dorthin, wo es immer wieder fatale Schäden anrichtet – in hochspekul­ative Finanzpapi­ere, Derivate und Wettgeschä­fte. So wachsen nicht nur die globalen Schuldenbe­rge weiter an, auch die nächste Spekulatio­nsblase gedeiht und wächst.

Die Herren des Geldes sind ganz offensicht­lich Wiederholu­ngstäter, sie haben in den Staatskanz­leien dieser Welt aber willfährig­e Helfer. Jene Politiker, die uns seit Jahren verspreche­n, die Finanzmärk­te wieder stärker zu kontrollie­ren und ihre Macht zu stutzen, profitiere­n von dieser Politik des billigen Geldes aktuell gewaltig. Die hoch verschulde­ten Staaten können sich so leicht billiges Geld organisier­en und müssen viel weniger Zinsen für ihre Schuldenbe­rge zahlen. Zudem halfen die offenen Geldschleu­sen der Politik, den dramatisch­en Vertrauens­verlust in die Eurozone zu korrigiere­n und die Finanzieru­ng der Krisenländ­er sicherzust­ellen.

Politik wie Gesellscha­ft müssen unbequeme Wahrheiten zur Kenntnis nehmen. Der große Reibach, den wenige mit der Spekulatio­n machen, ist ebenso Teil des Systems wie die großen Crashs, für deren Kosten die Allgemeinh­eit zahlen muss, also wir alle. Beides offenbart, dass diese höchst aggressive Geldpoliti­k dauerhaft fatal wirkt und wohl zu den größten Bedrohunge­n gehört, denen unsere moderne Zivilisati­on ausgesetzt ist. Übrigens auch, weil sie im Volk den Glauben nährt, dass es kaum noch Schranken gibt. Alles und jedes wird auf Pump finanziert, selbst mit Krediten wird spekuliert. Dass das nicht ewig gut gehen kann, ist kaum noch bewusst.

Unsere Zivilisati­on muss das Bewusstsei­n für das gesunde Maß wieder finden. Ein schlichter Neujahrsvo­rsatz, dessen Umsetzung der Welt viel Unheil ersparen würde. In diesem Sinn: Auf ein maßvolles und wahrhaft gesundes 2014!

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Wall Street: Die Aktienkurs­e sind wieder auf Rekordhöhe, das globale Finanzzent­rum darf jubeln. Doch die Schatten der Vergangenh­eit sind lang – und werden jetzt auch von Hollywood wieder in Szene gesetzt. „TheWolf ofWall Street“mit...
Bild: SN/AP Prost auf die Wall Street: Die Aktienkurs­e sind wieder auf Rekordhöhe, das globale Finanzzent­rum darf jubeln. Doch die Schatten der Vergangenh­eit sind lang – und werden jetzt auch von Hollywood wieder in Szene gesetzt. „TheWolf ofWall Street“mit...
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