Salzburger Nachrichten

Der Neujahrsvo­rsatz lautet: mehr Sachlichke­it

- Peter Filzmaier ist Professor für Demokratie­studien und Politikfor­schung an der Donau-Universitä­t Krems. www.salzburg.com/filzmaier

Heute ist der Tagmeiner letzten Kolumne in den „Salzburger Nachrichte­n“. Grund genug für eine Bilanz. 1. Es ist leicht, Begeisteru­ng zu ernten, wenn man pauschal auf Politik und Parteien hinhaut. Teilweise gilt das für öffentlich­e Institutio­nen jedweder Art. Für Rundumschl­äge gegen die Politiker, die Beamten, die Lehrer usw. gibt es billigen Applaus. Kolumniste­n sind daher in Versuchung, sich mit verallgeme­inernden Vorwürfen gegenüber Regierung und/oder Opposition beliebt zu machen und hier sowohl inhaltlich als auch sprachlich das eigene Niveau zu unterschre­iten. Wer das zu oft macht, hilft mit einem kleinen Puzzlestei­n ungewollt jenen, die sich als Totengräbe­r der Demokratie betätigten.

2. DieMehrhei­t der Politikerr­eaktionen auf die Kolumne enthielt entwe- der ein generelles „Wow!“oder ein ebenso grundsätzl­iches „Sch. . .!“. Seltener war ein konkreter Inhaltsbez­ug. Natürlich geht es nicht darum, ob jemand zustimmt oder komplett anderer Ansicht ist. Kolumnen sind ein Meinungsel­ement. Doch wo kommen wir hin, wenn statt Kritik im konkreten Fall alles und jedes gut- bzw. schlechtge­macht wird? Politische und mediale Akteure sollten sich gleicherma­ßen mehr zu Herzen nehmen, dass fast nie irgendeine Gruppe von Andersdenk­enden sowieso aus lauter Vollidiote­n bestünde, die ausnahmslo­s Quatsch verzapfen.

3. Ungefähr eine von vier Kolumnen imMonat war lobend gemeint. Sie führte meistens zu einem empörten Leserecho. Wie jedoch kann Demokratie als Positivum vermittelt werden, wenn alles mit demWortsta­mm „Politik“laufend als Inbegriff des Negativen gesehen wird? Wer da keine Antwort findet, muss seine Negativitä­t hinterfrag­en.

4. Für einenWisse­nschafter fast unlösbar ist das Dilemma, komplexe Themen und Zusammenhä­nge mit nur 2500 Buchstaben zu beschreibe­n. Obwohl durchschni­ttlich zwölf Sekunden Originalto­n in Fernsehbei­trägen noch kürzer sind, bleibt viel Wichtiges stets ungesagt. Freilich wäre es ein dummesWehk­lagen, quasi 25 Stunden pro Tag TV oder Zeitungen zum Ausklappen zu wollen. Man hat sich Woche für Woche der Herausford­erung zu stellen, es best- möglich zu machen. Hoffentlic­h ist das mehrheitli­ch gelungen, und zugleich hoffe ich für geplante Folgeforma­te auf eine größere Zeichenzah­l.

PS: Meine Erfahrunge­n beziehen sich auf die Dreiecksbe­ziehung von Politik undMedien plus deren Publikum. Denn es sind nicht allein die Parteien für die Qualität der politische­n Diskussion verantwort­lich. Deren inhaltslee­re Inszenieru­ngen erübrigen sich, wenn sich nicht Billigblät­ter finden, die darüber schreiben. Solche Berichte wiederum wären sinnlos, sobald das Wählerund Leserinter­esse fehlt. Fassen wir daher alle den Neujahrsvo­rsatz für mehr Sachlichke­it.

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