Frische Farben für die Kulturhauptstadt
Riga 2014. Die Konkurrenz ist groß, das Budget klein: Um als Kulturhauptstadt Europas aufzufallen, setzt Riga auf Kreativität und Buntheit. Das kalte Stadtbild, durch das einst KommissarWallander irrte, ist längst überholt.
SALZBURG (SN). Seine langen Unterhosen hatte Kurt Wallander vergessen. Er bereute es schon, als er aus dem Flugzeug stieg: „Das erste, was ihm auffiel, war die Kälte“, heißt es im Krimi „Hunde von Riga“. Von der Hauptstadt Lettlands zeichnete Bestsellerautor Henning Mankell darin ein düsteres Bild: Im Februar des Jahres 1991, also wenige Monate, bevor Lettland sich aus dem Griff der Sowjetunion befreite, schickte er seinen Kommissar Wallander in eine Welt, in er es „drinnen so kalt war wie draußen“. Er ließ ihn durch eine Stadt „aus unbarmherzigen Kontrasten“irren.
Kontrastreichtum ist in der Hauptstadt Lettlands auch 23 Jahre später wieder ein Thema. Aber abweisend? Im Gegenteil: Als Kulturhauptstadt Europas will Riga das Jahr 2014 nutzen, um möglichst viel und möglichst stark auf sich aufmerksam zu machen.
So finster wie in den letzten Tagen des Sowjetregimes, in denen Mankell seinen Krimi spielen ließ, sah die Stadt vielleicht auch nur selten aus. Besucher schwärmen von den Jugendstilfassaden im historischen Kern der alten Hansestadt, der wegen seines „außergewöhnlichen, universellen Wertes“längst zumWeltkulturerbe erklärt wurde.
Und wie fast jede Kulturhauptstadt vor ihr hat auch Riga den Titel genutzt, um das eigene Stadtbild entsprechend den finanziellen Möglichkeiten weiterzuentwickeln: Ein neuer Bau für die Nationalbibliothek wuchs am Ufer der Düna gegenüber der Altstadt. In einer ehemaligen Kraftwerkshalle soll künftig zeitgenössische Kunst die Spannung erzeugen: Sie wurde zum Museum umfunktioniert. Eine neue Konzerthalle unterstreicht den Stellenwert der Musik: Aus Lettland kommen Klassikstars wie der Dirigent Mariss Janssons. ImMusikprogramm
ErstWeltkulturerbe, von Riga 2014 ist er fix eingeplant.
Gegen die zweite europäische Kulturhauptstadt 2014 zieht Riga dennoch in einem Punkt den Kürzeren: Das schwedische Umeå hat mit Stieg Larsson („Millenium“) selbst einen weltbekannten Krimiautor vorzuweisen. Doch dafür spielen in Riga die Bücher schon zur Eröffnung eine tragende Rolle: In einer riesigen Menschenkette sollen Freiwillige die Bücher aus der alten Nationalbibliothek von Hand zu Hand quer durch die Stadt bis in den Bibliotheksneubau weiterreichen.
Die Idee des Projekts sei es, auf dieseWeise „buchstäblich für Kultur und Werte einzustehen“, sagte Aiva Rozenberga, die Programmchefin von Riga 2014, der Deutschen Presse-Agentur. Die „Kette der Buchliebhaber“erinnert aber vor allem auch an den „Baltischen Weg“von 1989, als über eine Million Balten eine 600 Kilometer lange Menschenkette zwischen Tallinn, Riga und Vilnius bildeten, um gewaltlos für Freiheit zu demonstrieren.
Auch Tallinn und Vilnius sind bereits als Kulturhauptstädte Europas angetreten. Mit ihnen verbindet Riga ein Problem: Der Etat schrumpfte bedingt durch die Wirtschaftskrise um rund ein Drittel. 24 Millionen Euro kostet Riga 2014. Zum Vergleich: 2013 konnte Marseille 90 Millionen Euro in sein Kulturhauptstadtjahr stecken.
Doch die Marke „Kulturhauptstadt“soll andererseits nicht nur touristische Werbung sein, sondern auch in den Stadtteilen selbst möglichst nachhaltig wirken. Wie konkret Kultur in den Alltag eingreifen kann, demonstrierte Riga schon im Krisenjahr 2009 mit dem Festival „Survival Kit“: Damals seien in den Konkurs geschlitterte Geschäfte zu Begegnungsräumen zwischen Künstlern und Anwohnern geworden, in denen über die Situation diskutiert worden sei, sagt Rozenberga, und Schriftsteller hätten Suppenküchen für die Stadtbewohner eingerichtet. Auch 2014 will das Festival „Survival Kit“alte Gebäude der Stadt für die Kultur besetzen.
Das passiert in größerem Rahmen auch mit einem Haus, in dessen düstere Geschichte jetzt erstmals Licht gebracht werden soll: Es diente im Nationalsozialismus als Gefängnis, dann unter dem Sowjetregime als KGB-Zentrale, in der lettische Bürger mit Foltermethoden verhört wurden. Nach dem Schritt Lettlands in die Unabhängigkeit blieb es verschlossen. Jetzt sollen mehrere Ausstellungen helfen, das Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten. Im ganzen Jahr solle es darum gehen, „die