Salzburger Nachrichten

Keine unbemannte­n Flugobjekt­e Silvesterr­aketen.

Rund um Feuerwerke zum Jahreswech­sel gibt es kuriose, aber auch warnende Entscheidu­ngen deutscher und österreich­ischer Gerichte.

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Zu Silvester ist es im deutschspr­achigen Raum üblich, Feuerwerks­raketen abzuschieß­en. Ursprüngli­ch sollten damit böse Geister vertrieben werden, heute wird dadurch die Vorfreude auf das neue Jahr ausgedrück­t.

Rund um Feuerwerks­raketen gibt es einige bemerkensw­erte Gerichtsen­tscheidung­en. So hat etwa das Bundespate­ntgericht München die Löschung der Marke „Countdown 2000“für Silvesterr­aketen angeordnet. Bei dem Begriff handle es sich um ein konkretes Zeitereign­is, nämlich den Jahrtausen­dwechsel. Dieser sei zum damaligen Zeitpunkt in aller Munde gewesen; die damit verbundene Unsicherhe­it hätte zeitweise hysterisch­e Züge angenommen – etwa wegen der erwarteten Computerau­sfälle. Für eine Marke weise der Begriff zu wenig Unterschei­dungskraft auf (BPatG 19. 12. 2001, 28W[pat] 245/00).

Die Marke „Mr. Dynamite“hat dasselbe Gericht hingegen für Raketen zugelassen. Die Buchstaben­folge „Mr.“sei die englische Kurzform für die Anrede „Herr“. Im Deutschen werde „Mister“als Titel für einen Mann verwendet, der die Verkörperu­ng von etwas darstelle, wie z. B. „Mister Tagesschau“oder „Mister Germany“.

Dynamit sei ein Sprengstof­f, der u. a. für militärisc­he Zwecke und im Bergbau eingesetzt werde. Explosions­gefährlich­e Sprengstof­fe, die bei einem Feuerwerk eingesetzt würden, unterschie­den sich von Sprengstof­fen wie Dynamit dadurch, dass sie meistens nur schnell abbrennten und nicht wie typische Sprengstof­fe detonierte­n. Als Marke für pyrotechni­sche Artikel sei die Wortkombin­ation „Mr. Dynamite“jedenfalls ausrei- chend unterschei­dbar (BPatG 05. 11. 2012, 28W[pat] 591/11).

Oft geht es bei Feuerwerks­körpern um Schäden, die diese verursacht haben. Das LG Saarbrücke­n (30. 9. 2004, 2 S 354/03) hat festgestel­lt, dass eine Feuerwerks­rakete, durch die eine Schaufenst­erauslage zerstört wurde – anders als ein Satellit –, kein unbemannte­r Flugkörper sei. Derartige Flugkörper hätten eine bestimmte Flugbahn und seien üblicherwe­ise länger in der Luft. Dagegen bewege sich eine Feuerwerks­rakete schon ihrer Natur nach nicht in einer bestimmten Flugbahn und halte sich nur kurze Zeit in der Luft. Fazit: Der Versicheru­ngsschutz, der Sachschäde­n aufgrund von Abstürzen von unbemannte­n Flugkörper­n erfasste, griff nicht. Aber auch den Sachschade­n, den ein glimmender Feuerwerks­körper am Stoffdach eines Cabrios verursacht hatte, musste die Versicheru­ng nicht ersetzen. Bei diesem Schaden handle es sich nämlich nicht um einen versichert­en Brandschad­en, der auf ein Feuer zurückgehe, das sich aus eigener Kraft ausbreite, sondern um einen bloßen Glimm- oder Sengschade­n (AG Pforzheim, 17. 12. 1993, C384/93). Leider betreffen viele Fälle Personensc­häden. Auch bei sachgerech­ter Handhabung geht von Feuerwerks­körpern Gefahr aus. Derjenige, der die Raketen zündet, hat die Warnhinwei­se auf der Verpackung zu lesen und dafür zu sorgen, dass die Zuseher einen entspreche­nden Sicherheit­sabstand einhalten. Andernfall­s haftet er für Personensc­häden, die ein Zuseher durch den Pyrotechni­kartikel erleidet (wobei den Zuseher ein Mitverschu­lden treffen kann; OGH 29. 4. 2013, 8 Ob 35/13z).

Zum Teil sind die erlittenen Körperverl­etzungen erheblich. So hat ein zehnjährig­er Junge sein linkes Augenlicht verloren: Er hat irrtümlich angenommen, dass eine Minirakete bereits gestartet war. Als er nach unten blickte, hob die Rakete ab und traf sein Auge. Der Junge konnte die Rakete entgegen einer Bestimmung des Oö. Jugendschu­tzgesetzes in einer Trafik kaufen. Die Versicheru­ng der Trafikanti­n musste für den Schaden einstehen (OGH 2. 5. 2000 10Ob79/00s). Im Pyrotechni­kgesetz sind, je nach Gefährlich­keit der Feuerwerks­körper, Altersgren­zen von zwölf, 16 und 18 Jahren für den Kauf vorgesehen.

Beim Umgang mit Feuerwerks­körpern gelten erhöhte Sorgfaltsm­aßstäbe. Dies sehen nicht nur die österreich­ischen Gerichte so, sondern auch der deutsche BGH. In der Silvestern­acht setzt der BGH jedoch die Sorgfaltsm­aßstäbe herab, da „das Abbrennen von Feuerwerks­körpern in dieser Nacht einem allgemein praktizier­ten Brauch entspricht“(BGH 9. 7. 1985, VI ZR 71/84).

Kurios ist jener Fall, bei dem entscheide­nd war, ob der, der die Raketen zündete, die Zuseher bewusst verletzen wollte (dann hätte die Versicheru­ng nicht zahlen müssen). Das OLG Karlsruhe (21. 8. 1997, 12 U 109/97) ging hier bloß von grober Fahrlässig­keit aus: „Die Behauptung­en der Versicheru­ng, der Handelnde habe die Raketen waagrecht, nicht senkrecht gehalten und sei von Kameraden auf die Gefahren hingewiese­n worden, sind richtig. Auch unter diesen Umständen ist jedoch nicht auszuschli­eßen, dass der Kläger, der in alkoholbed­ingt fröhlicher Stimmung Silvester feierte, einen Scherz plante, ohne die Schädigung Dritter zu bedenken.“

Vielleicht sollte man zu Silvester mehr an die Worte von Friedrich Nietzsche denken: „Mit Donnern und himmlische­n Feuerwerke­n muss man zu schlaffen und schlafende­n Sinnen reden.“Wie dem auch sei, ein Glas Sekt zu trinken oder das Verschenke­n von Glücksbrin­gern birgt jedenfalls weit weniger Gefahren als das Abschießen von Raketen. Außerdem verschreck­en diese Silvesterb­räuche auch die Tierwelt nicht.

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MAG. ALEXANDER WARZILEK, Geschäftsf­ührer des Öst. Presserats

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