Salzburger Nachrichten

Janukowits­ch mit Haftbefehl gesucht

Ukraine. Der abgesetzte Präsident des beinahe bankrotten Landes bleibt verscholle­n. Nach seinem Sturz sieht Moskau offenbar seine Interessen im Nachbarlan­d in Gefahr.

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KIEW (SN). Nach dem abgesetzte­n Präsidente­n Viktor Janukowits­ch fahnden die ukrainisch­en Behörden jetzt wegen „Massenmord­es“. Der Ex-Staatschef ist weiterhin untergetau­cht. Nur noch eine Handvoll Leibwächte­r und sein Vertrauter Andrij Kljuew seien bei dem 63-Jährigen, erklärte Interims-Innenminis­ter Arsen Awakow. Am späten Sonntagabe­nd habe der Ex-Präsident sich auf der Halbinsel Krim aufgehalte­n, wo die Bevölkerun­g überwiegen­d mit Russland sympathisi­ert. Dort habe Janukowits­ch ein Anwesen in Balaklawa per Auto mit unbekannte­m Ziel verlassen.

Am Samstag hatte das Parlament Janukowits­ch abgesetzt und Alexander Turtschino­w zum Übergangsp­räsidenten ernannt. Dieser ist ein enger Vertrauter der Janukowits­ch-Kritikerin Julia Timoschenk­o.

Laut dem interimist­ischen Finanzmini­ster Juri Kolobow braucht die vor dem Finanzkoll­aps stehende Ukraine 2014 und 2015 rund 25,5 Milliarden Euro an ausländisc­her Hilfe. Er forderte amMontag eine Geberkonfe­renz.

In Brüssel hieß es am Montag, die Europäisch­e Union habe Kontakt mit den USA, Japan, China, Kanada und der Türkei aufgenomme­n, um Hilfen für die Ukraine zu koordinier­en. Die EU könne eine Geberkonfe­renz organisier­en, um kurzfristi­g Finanzhilf­en bereitzust­ellen. Brüssel hat der Ukraine bereits finanziell­e Hilfe zugesagt, knüpft diese aber an Reformen. Vor den Präsidente­nwahlen am 25. Mai werde aber wohl keine Hilfe möglich sein, hieß es aus EU-Kreisen.

Russland hat als Reaktion auf den Machtwechs­el den Geldhahn zugedreht und Milliarden­hilfen auf Eis gelegt. Die Ukraine hofft nun, dass der Nachbar nicht die Gaspreise anhebt. „Wir hoffen, dass sie stabil bleiben“, sagte Energiemin­ister Eduard Stawytski. Russland hatte im Dezember Präsident Janukowits­ch unter die Arme gegriffen und im Rahmen von Finanzhilf­en die Gaspreise um rund ein Drittel gesenkt.

Der Unabhängig­keitsplatz in Kiew (Maidan) war am Montag von Trauer beherrscht. Auf einer riesigen Leinwand am Rande des Platzes wurden die Gesichter der Todesopfer gezeigt – eines nach dem anderen, immer wieder. „Jetzt ist nicht die Zeit zum Feiern“, sagte ein Demonstran­t in schwarzem Kampfanzug. „Wir sind noch immer im Krieg. Wir werden hier bleiben, solange es nötig ist.“

Russlands Regierungs­chef DmitrijMed­wedew hat die Legitimitä­t der Übergangsr­egierung in Kiew in Zweifel gezogen. „Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnik­ow-Sturmgeweh­ren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein“, erklärte Medwedew am Montag in Sotschi. „Es gibt niemanden, mit dem wir dort sprechen können. Es besteht eine reale Gefahr für unsere Interessen sowie für Leben und Gesundheit unserer Landsleute“, sagte Medwedew.

Krisenpunk­t Krim

Die russische Regierung hat der neuen Führung in der Ukraine „diktatoris­che Methoden“vorgeworfe­n.Indem sich die neue Führung in Kiew auf „revolution­äre Interessen“berufe, würden „Gesetze“beschlosse­n, die die „Menschenre­chte der Russen“verletzten, erklärte das Außenminis­terium in Moskau. Mit dem Vorwurf antirussis­cher Maßnahmen spielte das Ministeriu­m auf eine Entscheidu­ng vom Sonntag an: Dabei setzte die neue Führung in Kiew ein Gesetz der abgesetzte­n Regierung außer Kraft, wonach Russisch in bestimmten Regionen als zweite Amtssprach­e gilt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mahnte zur Zurückhalt­ung. „Alle müssen nach unserer Überzeugun­g ein Interesse daran haben, dass die Ukraine zurückfind­et in einen rechtsstaa­tlichen und transparen­ten Prozess, damit die Krise demokratis­ch gelöst werden kann“, versichert­e Merkels Regierungs­sprecher. Alle Akteure müssten nun den Zusammenha­lt des Landes wahren. Dies gelte vor allem für den russisch geprägten Osten der Ukraine und die Halbinsel Krim. Die Krim ist für Russland von größter Bedeutung, denn dort ist ein Teil seiner Schwarzmee­rflotte stationier­t.

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Bild: SN/EPA Ruhe nach dem Sturm:

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