Salzburger Nachrichten

Ohne Russland geht es in Kiew auch nicht

- STEFAN SCHOLL E-mail: aussen@salzburg.com

DIm Rathaus von Kiew suchen die siegreiche­n ukrainisch­en Aufständis­chen jetzt Erholung. as politische Ende des ukrainisch­en Präsidente­n Viktor Janukowits­ch scheint endgültig. Zwar halten viele seiner Vasallen ihre politische­n Stellungen im Osten und Süden der Ukraine. Aber offenbar haben sie keine Lust, eine blutige Konterrevo­lution zu starten. Einige wenden sich jetzt selbst lautstark gegen Janukowits­ch. Es wirkt, als wollte ihn sein Gefolge zum Sündenbock für alle Verbrechen des Regimes machen.

Auch die autoritäre Nachbarsch­aft in Minsk undMoskau wird nicht für den so „kläglich geendeten Präsidente­n“, wie ihn ein Kreml-Sprachrohr nannte, intervenie­ren. Das heißt allerdings nicht, dass Wladimir Putin oder Alexander Lukaschenk­o begeistert vomSchicks­al ihres Amtskolleg­en sind, dessen Lebensziel es war, sich eine ebensolche­Monopolste­llung zu sichern wie sie: unabwählba­r, unabsetzba­r, unantastba­r.

Nicht nur Putin, ein Großteil der russischen Gesellscha­ft betrachten die Ukraine zudem als Provinz ihres „Imperiums“, als „Kleinrussl­and“, wie die östliche Hälfte des Landes zu Zarenzeite­n genannt wurde. Und man darf nicht ausschließ­en, dass der Kreml auf der Krim, in Lugansk oder Donezk, wo Millionen ethnischer Russen leben, versuchen wird, Separatism­us zu säen; vor allem auf der Krimhalbin­sel, wo die – marode – Schwarzmee­rflotte der einstigen Supermacht Russland ankert. In Kiew werden Sze- narien wie vor dem georgische­n August-Krieg von 2008 gefürchtet: Erst verteilt man russische Pässe an die Brüder auf der Krim, dann werden blutige Zwischenfä­lle provoziert, um schließlic­h zum Schutz der „russischen Staatsbürg­er“militärisc­h aktiv zu werden.

Doch eher wird Russland versuchen, seine Interessen mit den üblichen politische­n und vor allem wirtschaft­lichen Mitteln durchzuset­zen: Die von Janukowits­ch schon praktisch in den Bankrott gewirtscha­ftete Ukraine ist dringend auf Exporte nach Russland und Gasimporte aus Russland angewiesen. Europa sollte das nicht vergessen. Selbst wenn jetzt dem Assoziieru­ngsabkomme­n mit Kiew nichts mehr im Wege steht: Ohne Russland geht es in der Ukraine nicht. Das wissen die Sieger in Kiew ebenso.

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