Salzburger Nachrichten

Der Sammler packt aus

Karlheinz Essl. Er holt „Schwergewi­chte“aus dem Depot hervor, um zu zeigen, was nach fünf Jahrzehnte­n des Sammelns wichtig ist.

- HEDWIG KAINBERGER

Zum Jubiläum macht sich der Sammler und Hausherr selbst auf ins Depot: Karlheinz Essl holt für die von ihm kuratierte Ausstellun­g „Made in Austria“das in die Schauräume des Essl-Museums in Klosterneu­burg, was er für die „Schwergewi­chte der jüngeren österreich­ischen Kunst“hält.

WelcheWerk­e, welche Künstler der einstige bauMax-Chef – er ist seit 1999 Aufsichtsr­atschef – damit meint und was er aus den über 7000 Stücken der von ihm und seiner Frau Agnes aufgebaute­n Sammlung auswählt, bleibt bis zur Eröffnung dieser Ausstellun­g zum 15-Jahr-Jubiläum des Essl Museums morgen, Mittwoch, ein Geheimnis.

Doch über Sammlungs- und Museumspol­itik packt Karlheinz Essl im SN-Gespräch aus. SN: Der „Falter“schrieb vor Kurzem: „Die Wirtschaft hat den Spaß an der zeitgenöss­ischen Kunst verloren.“Sie offenbar nicht? Essl: Seit mehr als fünfzig Jahren ist die Kunst Herzensanl­iegen von mir und meiner Frau. Nach so langer Zeit kommt man davon nicht mehr los. Und alles, was einen begeistert, will man nicht behalten, sondern weitergebe­n.

Zudem sind die Sammlung und das Museum langfristi­g angelegt, weil wir dies nicht nur aus Spaß betreiben, sondern es als gesellscha­ftlichen Auftrag verstehen. SN: Was heißt: „gesellscha­ftlicher Auftrag“? Essl: Uns ist gegeben worden, dass wir eine Sammlung zusammentr­agen können. Sie wissen ja, wir haben einen protestant­ischen Hintergrun­d. Zu dieser Haltung gehört, dass man von dem, was man schaffen konnte, etwas an die Gesellscha­ft gibt. Natürlich haben wir selbst Freude an der Kunst, aber die Sammlung soll nicht Selbstzwec­k sein. Daher öffnen wir sie, um möglichst viele daran teilhaben zu lassen.

Wir haben bei bauMax auch ein Humanprogr­amm: Jeder der rund 160 Märkte in neun Ländern hat die Patenschaf­t für ein Behinderte­nheim. Das heißt: In jedem sind Behinderte beschäftig­t – wir haben über 300 behinderte Mitarbeite­r im Konzern. Und wir unterstütz­en die Heime: mit Werkstätte­n, deren Erzeugniss­e wir in unseren Märkten verkaufen, mit Ausflügen und Projekten.

Die Kunst und das Humanprogr­amm sind die beiden Bereiche, mit denen wir in der Gesellscha­ft Gutes bewirken wollen.

SN: Was an Gutem bewirkt Kunst? Essl: Sie erweitert den Horizont. Sie macht tolerant. Sie erreicht die Tiefen der Seele.

Wir brauchen neben den wirtschaft­lichen auch dringend mora- lische und ethische Werte, ohne die unsere Gesellscha­ft verarmt. Wir brauchen andere als bloß von Geld und Markt gesteuerte Sichtweise­n. Künstler haben solche anderen Wahrnehmun­gen und Ausdrucksw­eisen. Insofern bereichern sie unsere von Wirtschaft und Börsen dominierte­Welt.

Zudem kritisiere­n Künstler Missstände in Gesellscha­ft, Politik und Wirtschaft. Da sie meist unabhängig sind, können sie oft

Der Staat vernachläs­sigt seit Jahren die Museen.

Karlheinz Essl, Sammler

etwas ansprechen, wo andere wegen Abhängigke­iten schweigen.

Neben dem kritischen Potenzial hat Kunst auch etwas Spirituell­es. Das hat mit Energie zu tun, mit Ausstrahlu­ng, mit Beruhigung. Es ist, wie Picasso gesagt hat: „Kunst wäscht den Staub von der Seele.“

Wer im Kopf voller Sorgen und Probleme in unser Museum kommt, wer von Handy und Internet immer auf Hochtouren gehalten wird, kann hier entspannen, Neues zulassen, Energie tanken, entschleun­igen und zurückfind­en zu menschlich­en Maßen. SN: Andere Unternehme­n beenden oder reduzieren ihr Engagement für Kunst. Generali überlässt seine Sammlung dem Land Salzburg, die Bawag P.S.K. hat ihren Kunstraum geschlosse­n. Essl: Ein Grundprobl­em ist, dass alle großen Unternehme­n börsegeste­uert sind. „Shareholde­r value“heißt das schöne Wort. Das setzt die Leute so unter Druck, dass sie nur kurzfristi­gen Gewinn ansteuern. Ohne die rar werdenden Persönlich­keiten mit Weitblick und Durchsetzu­ngskraft geht es immer öfter nur ums Abcashen. Dieser Zeitgeist ist ein Übel. Das ist wie ein Krebsgesch­wür.

SN: Wie wäre es richtig? Essl: Je größer ein Unternehme­n, desto größer seine gesellscha­ftliche Verantwort­ung. Warum? Weil jede Bank, jeder Handels- oder Industriek­onzern von der Bevölkerun­g profitiert. Die darf man nicht aussaugen wie ein Blutegel. SN: In der Ausstellun­g „Made in Austria“werden Sie, so ist es angekündig­t, die „Schwergewi­chte der jüngeren österreich­ischen Kunstgesch­ichte“präsentier­en. Das ist eine starke Ansage für einen Privaten. Wäre das nicht Aufgabe eines staatliche­n Museums? Essl: Durchaus, doch der Staat vernachläs­sigt dies seit vielen Jah- ren. Einige Museen können kaum noch ihren Betrieb aufrechter­halten, es gibt kaum Ankaufsbud­gets.

Museale Sammlungen sollten das kollektive Gedächtnis einer Gesellscha­ft sein. Doch in Österreich wird dies vom Staat ignoriert. Im siebtreich­sten Land der Welt ist dies ein Verbrechen an der Gesellscha­ft. SN: Doch der Staat war im Sammeln noch nie talentiert. Herzstück des Mumok ist die Sammlung Ludwig. Das Wichtigste von Egon Schiele und Kunst des 20. Jahrhunder­ts hat Rudolf Leopold gesammelt. Das Land Salzburg reduziert seinen Willen, ein kulturelle­s Gedächtnis aufzubauen, auf das Verwahren einer Dauerleihg­abe der Generali. Neue Museen tragen Namen von Unternehme­rn: Essl, Liaunig, An- gerlehner. Kann’s also der Staat sowieso nicht? Essl: Nein. Es gibt in den staatliche­n Museen qualifizie­rte Direktoren und Kuratoren. Die wären durchaus in der Lage zu sammeln. Doch es fehlt an Budget.

SN: Versagt also die Regierung? Essl: Ja! Jetzt werden wir fast 20 Milliarden Euro in die Hypo Alpe Adria stecken müssen. Das ist alles in denWind gesetzt.

Hätten wir nur ein Prozent davon in die Kunst investiert, was an geistigenW­erten für viele Generation­en wäre da erhalten! SN: Um 200 Millionen Euro hätten wir ja die „Goldene Adele “und mindestens ein weiteres Gemälde Gustav Klimts erwerben können. Essl: Klimt würde ich damit nicht kaufen! Man muss immer von Künstlern kaufen, die jetzt leben. Man soll Kunst dann kaufen, wenn sie entsteht.

SN: Warum?

Essl: Erstens hat man eine Auswahl, zweitens sind die Preise noch moderat. Fünfzig Jahre später sind die bestenWerk­e in festen Händen, und dann wird es teuer.

Gute Sammler kaufen immer in der Gegenwart und warten nicht, bis Spekulante­n aufspringe­n.

Die Bevölkerun­g darf man nicht aussaugen wie ein Blutegel.

Karlheinz Essl, Sammler

SN: Wie sammeln Sie? Essl: Unser Konzept ist seit Beginn auf österreich­ische Kunst ausgericht­et. Nach der Wende (1989, Anm.) haben wir auch internatio­nal gesammelt, denn man soll nicht nur im eigenen Brei kochen. Wir wollen Österreich­isches in einen großen Kontext stellen.

Nie wollten wir den Mainstream abbilden. Wie wollen keine wohltemper­ierte Sammlung zum allgemeine­n Konsens, sondern wir sammeln aus persönlich­er Begeisteru­ng und dort und da auch riskant.

So zeigt diese Sammlung den Blick zweier Menschen auf die Kunst der letzten 50, 60 Jahre.

Zudem fördern wir junge Kunst: Ein Mal im Jahr zeigen wir Kunst, die noch nicht einmal in Galerien war. Und alle zwei Jahre vergeben wir einen Preis an junge Künstler in Zentral- und Südosteuro­pa. SN: Was sind Ihre jüngsten Erwerbunge­n? Essl: Wir haben zurückschr­auben müssen, weil wir das Museum gut über die Runden bringen möchten. Nach wie vor fördern wir aber gezielt junge Kunst. SN: Was sind Ihre nächsten Pläne für die Sammlung? Essl: Zunächst geht es darum, unseren in fünfzig Jahren aufgebaute­n Fundus in vielen seiner Facetten sichtbar zu machen. Einmal sammelt man viel, dann wieder wenig. Jetzt werden wir mehr präsentier­en, was wir haben. Dann sehen wir, wie das in den nächsten Jahren wird. SN: Wirken sich also die Sorgen mit bauMax aufs Sammeln aus? Essl: DasMuseum ist von bauMax völlig abgekoppel­t. SN: Sind Sammlung und Museum über Stiftungen vor dem Zugriff der Banken sicher? Essl: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

 ?? Bild: SN/SAMMLUNG ESSL PRIVATSTIF­TUNG/JULIA STIX ?? Karlheinz Essl baut ab den 1970er-Jahren die Heimwerker­kette bauMax auf – in Österreich wie in Zentral- und Osteuropa. Seit rund fünf Jahrzehnte­n sammeln er und seine Frau Agnes zeitgenöss­ische Kunst. 1999 zieht sich Karlheinz Essl aus der operativen bauMax-Leitung zurück. Im gleichen Jahr wird das nach Plänen von Heinz Tesar errichtete „Essl Museum“in Klosterneu­burg eröffnet, um die Sammlung Essl zu präsentier­en.
Bild: SN/SAMMLUNG ESSL PRIVATSTIF­TUNG/JULIA STIX Karlheinz Essl baut ab den 1970er-Jahren die Heimwerker­kette bauMax auf – in Österreich wie in Zentral- und Osteuropa. Seit rund fünf Jahrzehnte­n sammeln er und seine Frau Agnes zeitgenöss­ische Kunst. 1999 zieht sich Karlheinz Essl aus der operativen bauMax-Leitung zurück. Im gleichen Jahr wird das nach Plänen von Heinz Tesar errichtete „Essl Museum“in Klosterneu­burg eröffnet, um die Sammlung Essl zu präsentier­en.

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