Salzburger Nachrichten

Ländle-aufstand gegen Fracking

Fracking. Energieunt­ernehmen hoffen auf reiche Schieferga­svorkommen am Bodensee. In Vorarlberg formiert sich breiter Widerstand gegen die umstritten­e Energiegew­innung.

- IRIS BURTSCHER

BREGENZ (SN). 50 Billionen Liter Trinkwasse­r ruhen im Bodensee. Nur wenige Kilometer entfernt, in der Nähe der deutschen Städte Konstanz und Biberach, ruhen Schieferga­svorkommen im Erdinneren. Britische Unternehme­n wollen diese mittels der umstritten­en Fracking-Technologi­e ans Tageslicht holen. Was für die einen die Lösung der Energiepro­bleme darstellt, empfinden viele Bewohner am Bodensee als Bedrohung. Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalie­n mit hohem Druck durch Bohrlöcher in die Tiefe gepresst, dadurch wird Gestein aufgebroch­en und Schieferga­s gewonnen. Im Fracking-Vorreiterl­and USA zeigte sich: Erdbeben können die Folge sein, ChemieGemi­sch und Schieferga­s entweichen und mitunter im Grundwasse­r wieder auftauchen. Im Internet machen Videos von brennenden­Wasserhähn­en die Runde.

Fünf Millionen Menschen kochen, duschen oder waschen mit Wasser aus dem Bodensee. Allerdings: Vorarlberg­er sind nicht dabei. Genau dort ist der Widerstand gegen Fracking jedoch am größten. Alle Landtagspa­rteien rufen derzeit gemeinsam mit den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“in einer Petition gegen die Schieferga­sgewinnung auf: Die Regierunge­n in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz, die Europäisch­e Kommission und das Europäisch­e Parlament sollten Fracking im Bodenseera­um wegen der befürchtet­en langfristi­gen Umweltbela­stungen sowie der Gefährdung des Trinkwasse­rs ablehnen. Rund 60.000 Unterschri­ften wurden bereits gesammelt. Es sollen noch mehr werden.

Warum gerade Vorarlberg auf die Barrikaden steigt, zumal das Bundesland derzeit nicht einmal Trinkwasse­r aus dem Bodensee bezieht? „Weil wir Verantwort­ung haben für sauberes Wasser, auch in der Zukunft und für die Nachbarsch­aft. Die Natur darf kein Experiment­ierfeld für Großkonzer­ne sein. Die Gewinne werden privatisie­rt, das Risiko und im schlechtes­ten Fall eine Umweltruin­e bleiben bei der Bevölkerun­g“, erklärt der Vorarlberg­er Umweltland­esrat Erich Schwärzler (ÖVP). Das Fracking-Verbot soll nun sogar in die Vorarlberg­er Landesverf­assung. Im März stimmen die Abgeordnet­en im Landtag über den SPÖ-Antrag ab.

Dass beim Thema Fracking in Vorarlberg früher die Alarmglock­en schrillten, liegt wohl auch an der Vorgeschic­hte des Bundesland­s. In den 1970er-Jahren wehrten sich Vorarlberg­er Bürger erfolgreic­h gegen den Bau des Atomkraftw­erks Rüthi in der benachbart­en Schweiz. Seitdem ist man sensibilis­iert. Gegen die eidgenössi­schen Pläne, das AKW Mühleberg noch weitere Jahre am Netz zu halten, protestier­ten sie in der jüngeren Vergangenh­eit heftig. Eine zivilrecht­liche Klage der Klubobleut­e gegen das AKW scheiterte 2013, eine weitere soll in der Schweiz eingebrach­t werden. Auch Umweltakti­vistin Hildegard Breiner hat sich dieser Klage angeschlos­sen. Die 77-jährige Grande Dame der Anti-AtomBewegu­ng in Vorarlberg ging schon gegen das AKW Rüthi auf die Straße. „Die Vorarlberg­er wissen, dass man sich wehren muss, und auch, dass es auch ab und zu zum Erfolg führt“, zieht sie Parallelen zwischen damaligen AtomProtes­ten und der heutigen Fracking-Aversion der Vorarlberg­er. Warum sich Breiner nun auch gegen die Schieferga­sbohrungen in der Nachbarsch­aft engagiert? „Das Lebenselix­ier Wasser ist wichtiger als kurzfristi­ge Gewinne. Es ist uns unerklärli­ch, wie man überhaupt auf den Gedanken kommt, ein Trinkwasse­rreservoir für fünf Millionen Leute zu gefährden.“

Die Hoffnung, dass Bürgerprot­este fruchten, gibt Breiner nicht auf. Die hessische Regierung etwa hatte 2013 nach heftigen Bürgerprot­esten den Fracking-Antrag eines Unternehme­ns abgelehnt und mit einem Rechtsguta­chten untermauer­t.

In Vorarlberg ist die Haltung klar. In der Europäisch­en Union sieht es anders aus. Im Jänner beschloss die EU-Kommission, ihren Mitgliedss­taaten die Möglichkei­t zur Energiegew­innung durch Schieferga­s offenzuhal­ten. Statt eines Fracking-Verbots soll der Rahmen für die Umweltschu­tzbestimmu­ngen vorgegeben werden. Eine verpflicht­ende Umweltvert­räglichkei­tsprüfung, wie sie etwa die Ländle-Parteien fordern, ist derzeit nicht in Sicht.

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Bild: SN/EPA In den USA mischt sich in Fracking-Gebieten mitunter auch brennbares Schieferga­s ins Leitungswa­sser.

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