Salzburger Nachrichten

Die Sänger des Dschungels sterben aus

Lemuren. Wenn nicht sofort gehandelt wird, riskiert die Menschheit den Verlust einer ganzen Unterordnu­ng ihrer Verwandtsc­haft.

- BARBARA MORAWEC

WIEN (SN). Madagaskar, die tropische Insel vor der Ostküste Mosambiks im Indischen Ozean, ist die Heimat der Lemuren. Dort leben mehr als 100 verschiede­ne Arten, vom Mausmaki angefangen, der nicht mehr als 30 Gramm auf die Waage bringt, bis hin zum Indri, der größten Lemurenart, die gute zehn Kilogramm wiegt und den Madagassen heilig ist. Die vielen verschiede­nen Lemurenart­en sind jetzt massiv vom Aussterben bedroht. Ursachen dafür sind vor allem die illegalen Abholzunge­n der Dschungelg­ebiete, vor allem im Norden der riesigen Insel.

Lemuren sind Halbaffen und zählen zu den Primaten. Sie sind sehr klug und leben in starken sozialen Gruppen. Die meisten von ihnen haben farbenpräc­htige Felle und sie sind ausgezeich­nete Sänger. Ihre lang gezogenen, durchdring­end lauten, manchmal sogar im Duett gesungenen Gesänge sind typisch für eine madagassis­che Nacht. Der Name der Tiere leitet sich von den Lemuren, den römischen Totengeist­ern, ab und spielt auf ihre fast ausschließ­lich nächtliche Lebensweis­e an. Und auch auf ihre Glotzaugen und ihre markanten Gesichtsze­ichnungen, die an Totenschäd­el erinnern.

Zuletzt haben der illegale Holzeinsch­lag und Brandrodun­gen auf der Insel verheerend zugenommen. Die Lemuren werden getötet, gejagt oder kommen in den Flammen um. Laut Naturschut­zorganisat­ion der Vereinten Nationen IUCN sind 22 Lemurenart­en vom Aussterben bedroht, 48 stark gefährdet und 20 gefährdet. Damit stehen 94 Prozent der weltweiten Lemurenpop­ulation auf der Roten Liste.

Deshalb schlagen jetzt Forscher Alarm, unter anderem auch die Wissenscha­fter der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien. Mit einem Drei-Jahres-Aktionspla­n der IUCN sollen die Lemuren vor dem Aussterben gerettet werden. Die Wiener Forscher erklären, wie: Die Lemuren nehmen auf Madagaskar eine wichtige ökologisch­e, aber auch wirtschaft­liche Rolle ein. Sie verteilen Samen in Madagaskar­s Wäldern und sichern so die Artenvielf­alt. Ihr Ver- lust würde eine ganze Kaskade des Aussterben­s anderer Tierarten auslösen. Lemuren ziehen aber auch Touristen an, die auf der Insel ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor geworden sind. Genau auf den Tourismus setzt man auch in Zukunft. Denn nur wenn es sich für die durchwegs sehr arme Bevölkerun­g auszahlt, die Tiere zu schützen, weil dadurch der Tourismus floriert, kann den Tieren – im günstigen Fall – damit geholfen werden. Daher setzen die For- scher auf verbessert­e Management­s der Naturschut­zzonen auf der Insel.

Obwohl Madagaskar vor der Küste Ostafrikas, der vermuteten Wiege der Menschheit, liegt, ist die riesige Insel – nach Indonesien die zweitgrößt­e im Indischen Ozean – einer der letzten Teile der Erde, die durch den Menschen besiedelt wurden. Konservati­ve Schätzunge­n datieren erste menschlich­e Präsenz auf der Insel um das Jahr 350 vor Christus.

Einige Lemurenart­en haben ihren Niederschl­ag in madagassis­chen Kulturen gefunden. Indris galten als heilige Tiere, die die Sonne verehren – sie sind häufig beim Sonnenbade­n zu beobachten. Seitdem die Menschen nach Madagaskar gekommen sind, sind dort mindestens acht Gattungen und mindestens 16 Arten von Lemuren ausgestorb­en. Alle Arten waren vermutlich tagaktiv und größer als die heute lebenden Arten.

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Bild: SN Lemuren sind Halbaffen und zählen zu den Primaten.

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