Serbien auf der Anklagebank
Völkermord-tribunal. Ab Montag beschäftigt den Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine Klage Kroatiens. Das Trauma aus dem Krieg in Ex-jugoslawien ist nicht bewältigt.
(SN, dpa). Vukovar: Für Kroatien ist der Name dieser Kleinstadt im Osten des Landes gleichbedeutend mit einem „kroatischen Stalingrad“. Im Jugoslawien-Krieg hatten reguläre Truppen der jugoslawischen Volksarmee und Mitglieder serbischer Freischärlerverbände im November 1991 rund 400 Patienten aus dem Krankenhaus von Vukovar gefangen genommen. Sie wurden zu einer nahen Schweinefarm gebracht und dort in Gruppen aufgeteilt. 264 wurden vier Tage später ermordet und verscharrt.
Vukovar steht für eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in diesem Krieg, in dem beide Seiten „ethnische Säuberungen“betrieben, was nichts anderes hieß, als dass nationale oder religiöse Gruppen aus dem Gebiet der jeweils anderen Seite vertrieben wurden. Doch Kroatien sieht in dem Bürgerkrieg (1991–1995) die Serben allein als Aggressor, der verantwortlich sei für die Verwüstung weiter Landstriche und den Tod von über 13.500 Kroaten.
Am kommenden Montag beginnt vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag der von Kroatien angestrengte Prozess wegen Völkermordes gegen Serbien. Die Serben wollen ihre Gegenklage in den Prozess einfließen lassen. Sie machen folgende Gegenrechnung auf: über 6500 Tote auf der eigenen Seite, noch rund 1600 Vermisste, dazu über 200.000 aus kroatischem Gebiet vertriebene Landsleute.
Das Verfahren kann ein Meilenstein in der Rechtsgeschichte sein: Denn noch nie wurde ein Staatschef, geschweige denn ein Staat, auf der Grundlage der nun von Kroatien ins Treffen geführten UN-Konvention gegen Völkermord verurteilt. Die internationa- le Justiz hat sich lange Zeit schwergetan mit der Verfolgung schlimmster Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Erst als 1995 serbische Einheiten die UN-Schutzzone Srebrenica überrannten und 8000 Muslime umbrachten, war dies Auslöser für die Gründung des UN-Kriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien in Den Haag. Wegen des Massakers stehen nun der ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic und ExGeneral Ratko Mladic vor den Richtern. Dieses Sondergericht kann aber nur individuellen Tä- tern den Prozess machen. Doch um Staaten wegen Völkermordes zur Rechenschaft zu ziehen, gibt es nur den Internationalen Gerichtshof. Hier können Staaten einander verklagen.
Prominente Kroaten wie Staranwalt Anto Nobilo oder der Philosoph Zarko Puhovski messen der Klage ihres Landes allerdings keine Erfolgsaussichten zu. Dennoch sei das Verfahren positiv, weil es Licht in das Schicksal von über 900 noch vermissten Kroaten bringen könne. Für Serbien birgt das Verfahren ein neues Trauma.