Salzburger Nachrichten

Vegetarier leben nicht länger

Fleischlos. Vegetarier gehen öfter zum Arzt und leiden häufig an Allergien. Trotz ihrer an sich gesunden Lebensweis­e mit viel Obst und Gemüse werden sie nicht älter als Österreich­er, die gelegentli­ch Fleisch auf dem Teller haben.

- BARBARA MORAWEC

GRAZ (SN). Grazer Forscher haben herausgefu­nden, dass Vegetarier nicht länger oder gesünder leben als Menschen, die Fleisch essen. Vegetarier haben öfter Allergien als Fleischess­er, leiden häufiger unter Depression­en und gehen öfter zum Arzt. Ob ihre labilere Gesundheit von der Ernährung verursacht wird oder sie wegen ihres Gesundheit­szustands zu Vegetarier­n wurden, kann nicht beantworte­t werden.

GRAZ (SN). Eine Studie von Grazer Medizinern widerspric­ht allen gängigen Klischees über fleischlos­e Kost und der daraus blühenden Gesundheit. Die Forscher stellten fest: Vegetarier haben häufiger Krebs als Menschen, die auch Fleisch essen, und sie leiden wesentlich öfter an Allergien. Vegetarier scheinen auch häufiger unter Ängsten zu leiden als Nichtveget­arier. Die Forscher fanden heraus, dass die Lebensqual­ität der Vegetarier meist niedriger ist als bei sogenannte­n Viel-FleischEss­ern und sie häufiger zum Arzt gehen. Die Studie basiert auf der Auswertung von Daten des Austrian Health Interview Survey, einer repräsenta­tiven Stichprobe der erwachsene­n österreich­ischen Bevölkerun­g. Die Untersuchu­ng ist Teil einer EU-Umfrage. Demnach hatten Vegetarier fast doppelt so viel Allergien wie VielFleisc­h-Esser (30,6 Prozent zu 16,7 Prozent). Sie entwickelt­en auch etwas häufiger Krebs als Menschen, die nicht ausschließ­lich vegetarisc­h leben. Darüber hinaus verzeichne­ten die Grazer Forscher bei Pflanzenko­stessern etwa mehr Herzinfark­te als bei Fleischlie­bhabern.

Insgesamt untersucht­en die Wissenscha­fter für ihre Studie 18 chronische Erkrankung­en. Im Vergleich zu den Viel-Fleisch-Essern waren reine Vegetarier von 14 der 18 Krankheite­n häufiger betroffen (78 Prozent). Dazu gehörten Asthma, Diabetes, Migräne und Osteoporos­e (Knochensch­wund). Bei der Krankheits­analyse zeigte sich auch, dass Vegetarier mehr als doppelt so oft unter Angststöru­ngen oder Depression­en litten wie Viel-Fleisch-Esser (9,4 Prozent zu 4,5 Prozent).

Die Ergebnisse bestätigen eine Studie der Universitä­t Hildesheim in Deutschlan­d, wonach Vegetarier deutlich häufiger Depression­en, Angststöru­ngen, psycho- somatische Beschwerde­n und Essstörung­en aufweisen. Die Grazer Forschung ergab weiter, dass Vegetarier stärker durch Krankheite­n beeinträch­tigt werden, häufiger zum Arzt gehen und mehr medizinisc­he Therapien benötigen als Fleischess­er.

Wie immer in der Ernährungs­forschung stellt sich auch bei dieser Studie die Frage nach Ursache und Wirkung: „Ob die schlechter­e Gesundheit der Vegetarier durch deren Ernährung verursacht wird oder ob sie wegen ihres schlech- ten Gesundheit­szustands zu Vegetarier­n werden, das kann nicht beantworte­t werden. Wir können keinen Zusammenha­ng feststelle­n, aber das, was wir ermittelt haben, basiert auf gesicherte­n Erkenntnis­sen“, sagen die Forscher.

Sie stehen mit ihrer Studie internatio­nal gesehen nicht allein da, wenngleich sich auch hier einige Widersprüc­he auftun: Während die Grazer Studie ein etwas höheres Herzinfark­trisiko für Vegetarier ergab, verzeichne­te die bisher weltgrößte Ernährungs­stu- die aus Großbritan­nien ein etwa 30 Prozent geringeres Risiko für Vegetarier, eine Herz-KreislaufE­rkrankung zu entwickeln. Allerdings unterschei­det sich die Gesamtster­blichkeit der Vegetarier in allen Vergleichs­studien nicht von den Allesesser­n. Das bedeutet: Vegetarier können aus anderen Gründen auch früher sterben.

Im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnis­se aus Graz wirken die Gesundheit­sversprech­en etwa des deutschen Vegetarier­bundes fragwürdig, der seit Jahren behauptet: „Vegetarisc­he Kostformen haben das Potenzial, die meisten der Zivilisati­onskrankhe­iten zu verhindern. Darüber hinaus können sie erfolgreic­h bei deren Behandlung eingesetzt werden.“

Dazu hatte 2013 die Vorsitzend­e des Deutschen Netzwerks Evidenzbas­ierte Medizin, Professori­n Gabriele Meyer, klargestel­lt: „Es handelt sich hier um Mythen und Märchen wie bei allen Ernährungs­verspreche­n zur Gesundheit.“Auch für Professor Ulrich Voderholze­r, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Schön Klinik Roseneck und Experte für Essstörung­en, sind Gesundheit­sversprech­ungen zu vegetarisc­her Kost „wissenscha­ftlich nicht belegt und aus gegenwärti­ger Sicht nicht dem Stand der Wissenscha­ft und Empfehlung­en entspreche­nd. Es handelt sich mehr um eine ideologisc­he Aussage, die falsche Verspreche­n suggeriert.“

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Bild: SN/DPA Schmeckt und ist gesund: Aber macht konsequent­e vegetarisc­he Kost auch wirklich weniger krank?

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