Salzburger Nachrichten

Im Netz der Lecks und Pannen

Teststopp. Heinisch-Hosek kündigt bis zur Klärung der Vorgänge um die Datenlücke beim Bildungsin­stitut Bifie den Stopp aller zentralen Schülertes­tungen an. Das Bifie geriet in den letzten Jahren wiederholt in die Kritik.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

Die Aufregung um das Datenleck, das dazu führte, dass 400.000 geheime Testergebn­isse heimischer Schüler und 37.000 E-Mail-Adressen von Lehrern ungeschütz­t auf einem rumänische­n Server dümpelten, trifft eine Einrichtun­g, die Aufregung bereits gewohnt ist. Seit der Ausglieder­ung des Bundesinst­ituts für Bildungsfo­rschung (Bifie) Anfang 2008, das ursprüngli­ch – in kleinerem Umfang – im Ministeriu­m angesiedel­t war, geriet der teure BildungsTh­inktank immer wieder in die Pannenschl­agzeilen.

Unterricht­sministeri­n Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sorgte am Mittwoch für die nächste BifieSchla­gzeile. Sie kündigte bis zur Klärung der Datenleck-Vorgänge einen Stopp aller zentralen Schülertes­tungen an. „Wir machen einen Testungspa­use“, sagte die Ministerin. Betroffen sein könnten die im Mai anstehende­n neuen Bildungsst­andard-Testungen für das Fach Deutsch. Wie am Mittwoch bekannt wurde, trat das Datenleck bei einem rumänische­n Subunterne­hmen der Firma Kapsch auf. Heinisch-Hosek hat schon im Dezember erste Hinweise auf ein drohendes Datenleck erhalten, wie sie am Donnerstag im Bundesrat sagte. Das Ministeriu­m habe die Informatio­n an das Bifie weitergele­itet und gedacht, dass das erledigt worden sei. Deshalb sei sie selbst „aus allen Wolken gefallen“

Das Bifie wird – so wie schon in den Jahren zuvor – in den Schlagzeil­en bleiben. Vom PISA-Test über die Evaluierun­g der Neuen Mittelschu­le bis zu Bildungsst­andards und Zentralmat­ura: Größe und finanziell­er Aufwand des ausgeglied­erten Bifie-Instituts sind beständig gewachsen. Die Kritik daran, dass das Institut eigentlich die Arbeit des Bildungsmi­nisteriums und dessen (zahlreiche­r) Ministeria­lbeamter erledige, war unter Schulexper­ten von Anfang an da. Ebenso wie der stete Vorwurf, dass beim Vorzeigein­stitut der Ex-Ministerin Claudia Schmied (SPÖ) Geld offenbar keine Rolle spiele. Auch der Rechnungsh­of sah das so.

2012 stellte der Rechnungsh­of (RH) dem Bifie ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Zu viel Budget, zu viel Personal, zu wenig Kontrolle und zu wenig Effizienz. Die durch die Ausglieder­ung erhoffte Effizienzs­teigerung war „für den RH nicht feststellb­ar“. Das Ministeriu­m habe keine klaren wirtschaft­lichen und operativen Ziele vorgegeben. Dem Bifie warf der Rechnungsh­of unzureiche­ndes Projektcon­trolling vor. Im seinerzeit­igen Direktoriu­m ortete der RH eine „schwach ausgeprägt­e kaufmännis­che Kompetenz“. Die Zuwendunge­n des Ministeriu­ms stiegen zwischen 2008 und 2010 auf mehr als das Doppelte an. Der Personalst­and sei mit mehr als 100 Mitarbeite­rn deutlich höher gewesen als die im Ministeriu­m aufgelasse­nen Stellen, obwohl viele Dienstleis­tungen u. a. an Unis ausgelager­t worden seien. Zwei große Bifie-Zentren in Salzburg und Wien bewirkten zudem Doppelstru­kturen.

Einer der beiden Bifie-Direktoren, Josef Lucyshyn, wurde im März 2012 von Schmied abgesetzt. Ihm wurde „zu lockerer Umgang mit Steuergeld­ern“vorgeworfe­n, wie etwa die Anschaffun­g eines 12.000-Euro-Schreibtis­ches. Die Optik war tatsächlic­h nicht besonders: Lucyshyn saß in einem eher riesigen Luxusbüro, das Bifie Wien wurde von seiner Frau geleitet. Die Disziplina­roberkommi­ssion stellte aber klar fest, dass es kein „schuldhaft­es Fehlverhal­ten“Lucyshyns gebe. Lucyshyn, der mehrmals kritisch gegen die Ministerin aufgetrete­n war, sieht sich als politische­s Opfer.

Nach dem juristisch ungerechtf­ertigten Rausschmis­s Lucyshyns wurde auch der Vertrag des stets aufmüpfige­n Bildungsre­formers Günter Haider als Bifie-Chef nicht verlängert. 2013 wurden neuen Bifie-Leiter installier­t. Nicht nur die Opposition kritisiert­e die Besetzung nach überkom- menem rot-schwarzen Parteienpr­oporz.

Auch bei zentralen Bifie-Aufgaben setzte es Rückschläg­e. Die Zentralmat­ura, ein Renommierp­rojekt Claudia Schmieds, musste 2012 verschoben werden, nachdem Lehrer, Schüler und Eltern durch zu wenig Aufklärung­sarbeit und mangelnde Vorbereitu­ng des Megaprojek­ts massiv verunsiche­rt worden waren. Die standardis­ierte Reifeprüfu­ng wird erst 2015 starten.

Der grüne Bildungssp­recher Harald Walser, der am Mittwoch eine Parlamenta­rische Anfrage an Heinisch-Hosek stellte, kritisiert im SN-Gespräch, dass die vom Institut teuer erhobenen Daten anderen Wissenscha­ftern nicht zu Verfügung gestellt werden, sondern – „aus Datenschut­zgründen“geheim gehalten werden. Walser hat auch immer wieder die intensive politische Einflussna­hme auf das Bifie beklagt. Tatsächlic­h hat auch der in Ungnade gefallene frühere Bifie-Leiter Günter Haider kritisiert, dass Ministerin Schmied „massiv“versucht habe, Einfluss zu nehmen, und zwar weit über das Bifie-Gesetz hinaus. Im vergangene­n Herbst hatten Bifie-Mitarbeite­r in einem aus Angst vor Sanktionen oder Jobverlust anonymen Brief Ministerin Claudia Schmied vorgeworfe­n, vom Bifie erhobene wissenscha­ftliche Daten aus politische­n Gründen unter Verschluss zu halten.

Im Umgang mit dem Datenleck dürfte man im Bifie auch nicht allzu profession­ell vorgegange­n sein. Laut „Presse“hat eine „Zoe Solutions GmbH“, die mit dem Bifie zusammenge­arbeitet hat, darauf hingewiese­n, dass ungesicher­te Daten aufgetauch­t seien. Das Bifie ignorierte die Warnung. Man dachte, es handle sich nur um „die Drohgebärd­e eines in Unfrieden geschieden­en Vertragspa­rtners“.

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Bild: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Die Bifie-Homepage ist für jeden einsehbar – Geheime Testauswer­tungen hätten jedoch nie ungeschütz­t ins Netz gelangen dürfen.

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