Salzburger Nachrichten

Ein Flugticket und keinWeg zurück

Golf-Strom. Der Traum vom schnellen Geldverdie­nen in den Golfstaate­n endet für viele nepalesisc­he Frauen, sobald sie dort landen.

- GUDRUN DORINGER

KATHMANDU (SN). Purna Maya ist noch nie geflogen. Dubai steht auf ihrem Ticket, Boarding in zwei Wochen. Es ist eine Reise ins Ungewisse für die 26-jährige Nepalesin. Sie spricht kein Arabisch. Sie kennt die Familie nicht, bei der sie wohnen und saubermach­en soll. Und sie hat Angst, den Staubsauge­r, die Klimaanlag­e und all die Geräte, von denen sie sonst noch gehört hat, nicht bedienen zu können. Denn das hat sie noch nie gemacht. Purna Maya lächelt höflich, als sie davon erzählt, dass sie für ihre Kinder ins Ausland gehe. Ihr Lächeln gefriert, als sie leise hinzufügt: „Eigentlich will ich gar nicht weg. Ich möchte nicht so lang von meinen Kindern getrennt sein.“Zwei Jahre plant sie in Dubai zu bleiben, um Geld zu verdienen. Schulgeld für die Kinder. Vielleicht reicht es sogar, um etwas Land zu kaufen.

Im Flugzeug nach Dubai wird Purna Maya mit ihrer Angst nicht allein sitzen. Waren es im Jahr 2007 noch 316 Nepalesinn­en, die in den Golfstaate­n arbeiteten, stieg ihre Zahl 2009 auf 11.507. Und das sind nur jene Frauen, die den legalen Weg gewählt haben. „Viele geraten an Zwischenhä­ndler, die den Frauen für die Arbeitsver­mittlung Geld abknöpfen“, sagt Sabitra Dhakal von der Hilfsorgan­isation Care. „ Bei ihrer Ankunft wird der Frau der Pass abgenommen. Die Familie, zu der die Frau als Haushaltsh­ilfe kommen soll, bezahlt üblicherwe­ise das Flugticket und will sichergehe­n, dass die Frau nicht abhaut, bevor die Kosten abgearbeit­et sind und die vereinbart­e Dauer des Aufenthalt­s verstriche­n ist. Man kann von moderner Sklaverei sprechen. Oft werden die Frauen auch als Sexarbeite­rinnen verkauft.“

Care will die Frauen nicht von ihrer Ausreise abbringen. Aber beim täglichen Infostand vor dem Gemeindeze­ntrum in Hetauda versuchen Mitarbeite­rinnen und zurückgeke­hrte Migrantinn­en den Frauen legale, sichere Wege der Migration aufzuzeige­n. Parwati

Parwati Neupane, Rückkehrer­in Neupane ist eine der Rückkehrer­innen. „Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da eingelasse­n hatte“, sagt sie heute. Zwei Jahre und zweiMonate verbrachte sie in einem Haushalt in Kuwait. Oft auf dem Klo. „Da bin ich manchmal zum Weinen hin“, sagt sie. „Es ist unerträgli­ch, wenn jeder Schritt kontrollie­rt wird. Ich durfte nicht einmal einen Spaziergan­g allein machen.“Mit einer zweiten Haushaltsh­ilfe aus Sri Lanka schlief sie in einem Ankleidezi­mmer des Hauses. „Ich wurde nie ein Mitglied der Familie. Sie nannten mich nicht einmal beim Namen, sondern benutzten ein arabisches Wort, das so viel heißt wie Arbeiterin.“

Parwati Neupane hielt durch, schickte alle sechs Monate Geld nach Hause und bekam umgekehrt Fotos von den Kindern geschickt. Ihr Mann pflegte den Kontakt zu seiner Frau und kümmerte sich um die Kinder. Nicht so der Mann von Sarita, einer weiteren Heimkehrer­in. Während sie in Dubai arbeitete, verprasste ihr Mann das Geld und suchte sich eine jüngere Frau. Die Heimkehr, die die junge Frau so herbeigese­hnt hatte, wurde zum Desaster.

„Rückkehrer­innen haben meist an mehreren Fronten zu kämpfen“, beschreibt Care-Mitarbeite­rin Sabitra Dhakal. „Oft sind Kinder und Haus vernachläs­sigt. Töchter geben die Schule auf, um daheim zu helfen. Der Großteil der nepalesisc­hen Männer sieht sich nicht hinter dem Herd. Ihre Denkweise zu ändern ist Teil unserer Arbeit, das ist Voraussetz­ung dafür, dass sich die Situation der Frauen verbessert.“Zudem wollen viele Frauen gar nicht zugeben, dass sie Rückkehrer­innen aus dem Ausland sind. „Man unterstell­t ihnen dann, dass sie als Sexarbeite­rinnen im Ausland waren“, erklärt Dhakal. Die EU unterstütz­t das Projekt „Shuba Yatra“, übersetzt „Gute Reise“, das nepalesisc­he Gastarbeit­erinnen im Vorfeld über mögliche Gefahren informiere­n und davor bewahren soll. „Weibliche Gastarbeit­erinnen sind eine besonders verletzlic­he Gruppe, weil sie Risiken von sexuellem Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt sind“, sagt Eric Ugarte vom EU-Büro in Kathmandu. Doch das Geld lockt. Bis zu 15.000 Nepalesisc­he Rupien pro Monat verdient eine nepalesisc­he Haushälter­in in den Golf- staaten. Das sind etwa 110 Euro – viel Geld in einem Land, wo das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 350 Euro beträgt.

Auch die fremde Welt betört. Die gläserne Glitzerwel­t Dubais ließ Sarita nicht unbeeindru­ckt: „Es war herrlich, das alles zu sehen. Und auch wenn es mir an meinem Arbeitspla­tz nicht gefallen hat, nehme ich doch diese Bilder mit und frage mich: Wann wird Nepal so weit sein?“Der Himalaya-Tourismus im Land boomt – die politische Schockstar­re, in der sich das Land befindet, lähmt jedoch und lässt die Zukunftsau­ssichten Nepals schrumpfen.

Deswegen wird Purna Maya ihre Reise in zweiWochen antreten, auch wenn es ihr schwerfäll­t. Notfallsad­ressen, ein offizielle­s Visum und eine Arbeitsgen­ehmigung hat sie dank der Beratungsg­espräche im Gepäck. Und Fotos von ihren zwei Kindern.

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Bild: SN/GUDO Sudha und Gopini malen sich ihr Leben in Dubai in den schönsten Farben aus. Purna Maya hat sich informiert. Sie weiß, was auf sie zukommen kann.
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