Dürers Hase sitzt noch im Tresor.
Albertina. Mit ausgeklügelter Technik wird der berühmte Hase vor Einbruch, Feuer und anderen Gefahren geschützt.
WIEN (SN). Wo haust der berühmteste Hase Österreichs? Freilich beim Rasenstück. Der Weg dorthin führt an rohen Betonwänden entlang, durch graue, kahle Gänge, vorbei an Kabelbündeln und an Aufschriften wie „Löschbereich 7“sowie einer roten Lampe, auf der „Inergenflutung – Raum nicht betreten“steht. Später werden wir erfahren, welch Glück es ist, dass die nicht blinkt. Wir durchschreiten ein Gitter, das sich schließt. Dann müssen wir warten, bis die Tür gegenüber geöffnet wird – aha, eine Schleuse.
„Wir gehen durch einen Bereich, wo ich Sie bitte, nicht zu fotografieren“, sagt der Direktor der Albertina, Klaus-Albrecht Schröder, zu den Journalisten, die er dorthin führt, wo Albrecht Dürers Hase nur noch ein paar Tage haust. Kein Raumeindruck, kein Detail einer Abzweigung sollte via Zeitung publik werden, um etwaigen Dieben dienlich zu sein.
Der Weg zum Hasen ist ausgeklügelt, um das zu sein, was in der Sprache der Sicherheit „Interventionsraum“heißt. Absichtliche Hindernisse machen es da etwaigen Gaunern dreifach schwer: Sie bräuchten Geräte, um durchzukommen, sie machten Lärm, und sie bräuchten Zeit, in der die dann alarmierte Polizei zu intervenieren beginnt, sprich: ausrückt.
Vom Publikumsbereich bis zum Hasen sind mehrere Türen und Gitter. Öffnen könnten diese nur je zwei jener Mitarbeiter der Albertina, die über eigens autorisierte Schlüsselkarten verfügten, erläutert Klaus-Albrecht Schröder. Zuvor müssten sich die beiden beim Sicherheitsdienst anmelden, und sie würden gefilmt. Und sei eine Tür länger als 30 Sekunden offen, gehe der Alarm los.
Diese Prozedur wäre allerdings beim Hochwasser 2009 fast fatal geworden. Denn ist der Weg zum Tresor möglichst einbruchsicher, ist das Bergen der Kunstwerke schwierig. Damals, im Juni 2009, wurde das Depot nach einem Wasserschaden und noch ärgerer Gefahr komplett geleert.
Seither hat die Albertina ihr Sicherheitssystem so überarbeitet, dass es doppelt hilft: Erschwernis bei Einbruch wie Erleichterung bei Evakuierung. Und nun sind Kunstwerke in Depots so gelagert, dass sie – je nach Bedeutung – in fünf, fünfzehn oder 30 Minuten zu bergen sind. Zudem wird das Risiko durch verschiedene Lagermethoden gesplittet: Die einen sind – wie der Hase – in einem händisch zu bedienenden Lager, viele andere sind im vollautomatisierten Tiefenspeicher.
Übrigens: Obgleich wegen des Hochwassers Tausende Kunstwerke in Sicherheit gebracht worden seien, erzählt Schröder, sei damals die erste Frage an ihn gewesen: „Wie geht es dem Hasen?“
Derwar damals dort wo er auch jetzt noch ist: in jenem Tresor, wo etwa 2000 Kunstwerke lagern. Was da „Tresor“heißt, ist so unspektakulär wie ein Warenlager, Aus dem „Rollregalblock 1“zieht Schröder mit bloßen Händen einen grauen Karton. So wie er ihn öffnet, könnten auch zwei Dut- zend Büroordner drinliegen. Doch er hebt Albrecht Dürers „Feldhasen“heraus und stellt ihn auf ein Tischpult. Auf die Frage, warum dieser Hase so berühmt sei, zieht Schröder ebenso unkompliziert das „Große Rasenstück“und Dürers Selbstporträt als 13-Jähriger aus Regal und Schachtel und hält ein Kurzreferat über über diese „Paradestücke“des radikalen Realismus in der Kunst und verweist auf den „wunderbar suggestiven Schatten“des Hasen.
Danach geht es zu dem, was den Hasen und andere Kunst vor der – nach Einbruch und Wasser – dritten Gefahr schützt: zu den Feuerlöschern, eine unübersehbare Riege an schlanken, etwa zwei Meter hohen Patronen, gefüllt mit Inergen-Gas. Sollte Feuer ausbrechen, strömt dieses Gas mit Hochdruck in die jeweiligen Räume und reduziert dort den Sauerstoffgehalt auf 15 Prozent. Dann blinken die erwähnten roten Warnlampen.
Bald wird der Hase im obersten Stock einen für ihn reservierten Platz beziehen. Dort wird bereits tapeziert, gefeilt und gehämmert: Ab 13. März wird die Ausstellung über die Gründungsgeschichte der Sammlung wie das Leben der Gründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen und Erzherzogin Marie Christine eröffnet. Dafür darf der lichtempfindliche Hase erstmals seit 2005 das Depot verlassen. Ende Juni kehrt er wieder in die Dunkelheit zurück. Der nächste Ausflug ist für 2016 zur DürerAusstellung der Albertina geplant.