Rauchen wird zur Horrorshow
Schockbilder. Ab 2017 sollen Bilder von Raucherkrankheiten auf den Zigarettenschachteln auch in Österreich Raucher abschrecken. Ob der gewünschte Erfolg eintritt, ist fraglich.
WIEN, BRÜSSEL (SN). Mit einem Mal kippt die Stimmung in der kleinen Trafik in der Wiener Innenstadt. Wo gerade noch über Lotto-Siege spekuliert, über Kreuzworträtseln gebrütet und genüsslich an der Zigarette gezogen wurde, startet plötzlich eine aufgeheizte Diskussion. Der Grund: die Schockbilder auf den Zigarettenpackungen.
Verfaulte Raucherbeine und schwarze Lungen sollen ab 2017 dieMenschen in der gesamten EU vom Griff zum Glimmstängel abhalten. Das EU-Parlament hat am Mittwoch für strengere Regeln bei Tabakprodukten gestimmt.
In der Trafik auf dem Wiener Graben stößt das auf wenig Begeisterung. „Wer will das schon den ganzen Tag sehen?“, fragt die Trafikantin Monika Mühringer. Raucher seien erfinderisch, wenn es um den Nikotinkonsum ginge. „Schutzhüllen für die Zigarettenpackungen verkaufen sich blendend“, sagt die Trafikantin.
Beim angrenzenden Zigarettenautomaten spricht man ebenfalls nicht gern über das Thema. „Hexenjagd“, zischt ein älterer Herr im Vorbeigehen. „Was geht die in Brüssel das an, ob ich rauche oder nicht?“, fragt eine Studentin. Wirklich sprechen wollen die wenigsten Raucher über die unappetitlichen Bilder. Und auch auf EUEbene war Widerstand zu spüren, vor allem freilich von der Tabakindustrie.
Dennoch haben sich Parlament und Mitgliedsstaaten auf schärfe- re Regeln geeinigt: Spätestens ab 2017 sollen Schockbilder 65 Prozent der Vorder- und Rückseite von Zigarettenpackungen bedecken. Gänzlich verboten werden ab 2020 Mentholzigaretten und Aromastoffe wie Vanille. Weiterhin verkauft werden dürfen SlimZigaretten und E-Zigaretten. Diese aber nur mehr in der Apotheke, wenn sie als Produkt zur Rauchentwöhnung beworben werden. Alles Maßnahmen, die Zigarettengegner schon lang fordern.
Der Arzt Manfred Neuberger, der seit Jahren die gesundheit- lichen Folgen des Tabakkonsums untersucht, begrüßt die neue Regelung: „Es trägt dazu bei, dass dem Raucher die Folgen immer in Erinnerung gerufen werden.“Auch könnte so der soziale Druck steigen, mit dem Rauchen aufzuhören. „Wenn Kinder die Eltern fragen, welche Bilder das sind, hat das natürlich einen Effekt.“Doch Neuberger will mehr. Der Arzt glaubt, dass ein generelles Rauchverbot in Gaststätten und die drastische Erhöhung der Tabaksteuer noch wirksamer wären. „Man darf sich jetzt nicht ausru- hen, sondern muss weiter konsequent das Rauchen unattraktiver machen.“
Der Trafikant Rachman Alsuheri sieht das anders. „Wieso müssen immer die Raucher herhalten? Warum gibt es beim Alkohol keine Bilder?“Seit 20 Jahren betreibt er seine Trafik. Einbußen hätte er auch wegen denWarnaufschriften nicht gespürt. „Die Leute lesen das gar nicht.“
Der Psychologe Cornel BinderKrieglstein bezweifelt ebenfalls, dass die Bilder den gewünschten Erfolg bringen. „Es ist natürlich ein Schritt in die richtige Richtung und die Bilder wirken auch zu einem Teil, aber damit heilt man keine Sucht. Dafür braucht es psychologische Betreuung.“Am ehesten würden sich Leute abschrecken lassen, die noch nicht mit dem Rauchen angefangen haben.
Dessen ist sich die EU bewusst. Die neuen Bestimmungen zielen auf Jugendliche ab. 95 Prozent der Raucher beginnen vor dem 25. Lebensjahr, aktuell rauchen 29 Prozent der 15- bis 24-jährigen Europäer. 700.000 Menschen sterben jährlich in der EU an den Folgen des Tabakkonsums.