Und täglich grüßt die Rückrufaktion
Kaputt. Früher waren Rückholaktionen von Autokonzernen selten ein Thema. Heute stehen derartige sündteure Aktionen auf der Tagesordnung. Wie auch dieseWoche. Werden die Autos schlechter?
SALZBURG (SN). Aktuell trifft es General Motors ( GM) und Volkswagen, vergangene Woche war Porsche dran. Autofahrer kommen sich manchmal wie Testpiloten der Autokonzerne vor, wenn man sich die Rückholaktivitäten der Autohersteller anschaut. In den USA wurden im ersten Halbjahr 2013 um 42 Prozent mehr Autos in die Werkstätten geholt als neue verkauft.
Nach tödlichen Unfällen hat die Opel-Mutter GM gestern, Mittwoch, eine Rückrufaktion auf mehr als 1,6 Millionen Autos verdoppelt. Nur ein paar Stunden später teilte VW mit, wegen eines möglichen Defekts an der Heckklappe des Modells Caddy weltweit rund 589.000 Fahrzeuge in die Werkstatt zu holen. Bei GM sind Fahrzeuge betroffen, die überwiegend in den USA, Kanada und Mexiko verkauft wurden. Bei den Autos könnte die Zündung unbeabsichtigt während der Fahrt in die „Aus“-Position zurückspringen, und dabei könnten sich der Motor und elektrische Systeme abschalten. Die Defekte stünden möglicherweise in Zusammenhang mit 31 Unfällen, 13 davon mit Todesfolge.
Beinahe täglich flattern Meldungen über große Rückholaktionen über die Internetschirme. Nahezu hundert Fahrzeugmodelle werden jährlich allein in Österreich wegen sicherheitsrelevanter Mängel zurückgerufen.
Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach beobachtet eine Häufung von Rückrufen auf globaler Ebene. „Dahinter steckt, dass die Zahl der Fahrzeuge steigt, die auf gleichen Plattformen beruhen“, sagt er. Soll heißen: Immer mehr gleiche Teile werden in verschiedenen Baureihen und Modellen ver- wendet. Ist dann ein Teil fehlerhaft, steigt die Zahl der Rückrufe schnell. Bratzel gibt auch zu bedenken, dass immer mehr Fahrzeuge in kürzeren Zyklen auf die Straße gebracht würden und die Komplexität des Autobaus durch die Globalisierung steige.
Den Eindruck der Autofahrer, die Autos würden immer schlechter, weil immer mehr Fahrzeuge rückgeholt werden, hält der deutsche Autoexperte für einen falschen: „Die Autos sind komplexer, sicherer und es ist mehr drinnen, was kaputtgehen kann, daraus kann man keine schlechtere Qualität ableiten.“Ein Zurück vom Baukastenmodell sei ausgeschlossen, weil kein Kunde höhere Preise akzeptieren würde. Eine Lösung sieht Bratzel darin, dass das Thema Qualitätsmanagement auf noch sicherere Füße gestellt und die Geschwindigkeit bei den Autoproduzenten der Qualität nachgestellt werden müsse. Womit die Geschwindigkeit gemeint ist, mit der neue Fahrzeuge auf den Markt gebracht werden.
Michael Franke, Leiter der Technologie-Kommunikation im Volkswagen-Konzern, betont, dass bei Volkswagen die Zahl der Rückrufe eher rückläufig sei. Vielmehr sei die Sensibilität seitens der Medien für das Thema größer geworden. Gleiche Teile, die in mehreren Baureihen verwendet würden, hätten den Vorteil, dass sie nicht nur als Grundkomponente entwickelt und geprüft würden, sondern dann noch einmal bei der weiteren Verwendung getestet würden. Man habe im Übrigen schon immer Komponenten für verschiedene Baureihen verwendet, durch das Wachstum würden freilich auch die Stückzahlen von Gleichteilen zunehmen.
Nimmt man pro Auto rund 100 Euro für einen neuen Teil plus die Werkstattkosten an, liegt man bei einer Rückholaktion wie aktuell bei General Motors schnell bei 160 Mill. Euro direkten Kosten. Dazu kommt der Imageverlust.
Rückholaktionen treffen aber nicht allein die Autohersteller, sondern vor allem auch die Zulieferer. Tanja Dippel, Vertriebschefin beim Versicherungsmakler Marsh mit 11 Mrd. Dollar Umsatz weltweit, sagt, dass die Autohersteller das Risiko meist an Lieferanten auslagerten. In den Lieferverträgen steht oft die Pflicht zur Versicherung. Konkret geht es um die Rückrufkostenversicherung bei Gefahr für Leib und Leben, viel bedeutender ist aber die erweiterte Produktha ftpflicht versic herung, die Austauschaktionen versichert. Rückrufversicherungen gehören laut Dippel in der Industrie zu den sehr teuren Versicherungsprodukten.
Dabei erfahren Kunden von vielen Rückrufen nichts. Einer von drei Rückrufen, so Schätzungen, erfolgt in aller Stille beim Service.