GEORGE MICHAEL: Vom Glück der Superstars.
Edel-Mann. Auf neue Songs warten Fans seit Jahren. Vergeblich. Lieber legt George Michael eine Live-CD seiner leidvollen „Symphonica“-Tour vor und beruft sich aufWerte, die es in der Popwelt bald nicht mehr geben könnte.
SALZBURG (SN). Warum er das alles überhaupt noch tut? Darüber hat George Michael immer wieder gern öffentlich nachgedacht. Wer es mit 20 schon geschafft hat, muss jenseits der 40 eigentlich nicht mehr zwingend etwas beweisen. Es werde wohl sein letztes Album sein, das er kommerziell unter die Leute bringe, verkündete Michael deshalb bereits, als er sein Soloalbum „Patience“veröffentlichte. Das war 2004. Geduld blieb seither für Fans des britischen Edelbarden ein wichtiges Stichwort. Es folgten kommerziell vertriebene Best-of-Alben und kommerziell erfolgreiche Tourneen. Doch „Patience“blieb das bislang letzte Soloalbum von George Michael. Für die mit Hits gut gefüllte CD hatte er sogar den langen Streit mit seinem damaligen Label Sony beige- legt. Die Antwort nach dem Warum klang entwaffnend einfach: „Sie haben mir geradezu unanständig viel Geld dafür geboten.“
Die Hoffnung auf die eine oder andere Unanständigkeit mag auch eine Rolle gespielt haben, als wenig später ein Verlag acht Millionen Euro für die ungeschminkte Autobiografie des Popstars bot, der es im strengen England immer wieder auch mit Verhaftungen wegen unsittlichen Betragens in die Schlagzeilen schaffte.
Anders gesagt: George Michael ist der schillernde Vertreter eines Berufszweigs, dem Experten prophezeien, dass es ihn nicht mehr lang geben könnte. Der globale Pop-Superstar konnte in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren zum Klischee werden, als weltumspannende Plattenkonzerne noch viel Geld, Geduld und Marketingmacht investierten, damit das Image ihrer Schützlinge überlebensgroß gedeihen konnte. Den langen Atem, der dazu nötig ist, brachte die Branche im neuen Jahrtausend selten auf. Mit der Krise, die Internet und Downloads derMusikindustrie bescherten, ging auch den Starfabrikanten immer öfter die Luft aus.
War es das? „Ich glaube, es ist vorbei/Alles hat sich verändert“, singt George Michael in seinem Hit „Through“auf dem nun veröffentlichten Live-Album „Symphonica“(Universal). Mit „Through“begann er auf seiner jüngsten „Symphonica“-Welttournee jeden Abend.
Mit der Songauswahl hält er hingegen am Glück des Superstars fest. In einer zerfransenden Popwelt setzt er auf gepflegte und stabile Werte. Das sind, neben Hits aus den eigenen Hochphasen, auch Coverversionen von Nina Si- mone, Elton John oder Terence Trent D’Arby, eingewickelt in plüschigen Orchester- oder BigBand-Sound. Als Edelbarde im Popgeschäft beherrschte George Michael schließlich schon immer, was Rod Stewart und Co. gern gekonnt hätten: nicht nur eine Popstimme mit Wiedererkennungswert sein, sondern auch als JazzFaserschmeichler ein Könner. Das ist also auch auf dem Album zur Tour zu hören (die er 2011 in Wien wegen einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung unterbrechen musste und erst 2012 fortsetzen konnte).
Allerdings: Was unbedingt glatt und weich sein muss, klingt selten unbedingt spannend. Wer die Version der Edelschnulze „Wild Is The Wind“hört, kann deshalb schnell Sehnsucht nach Nina Simone oder dem kraftvolleren Pathos von David Bowie kriegen. Eigene George-Michael-Ohrwürmer wie „Praying for Time“von 1990 oder „A Different Corner“(1986) wirken wie stark aufgebügelte Designerstücke, die eine freilich unverändert starke Stimme übertrieben herausputzen.
Warum eigentlich – wenn es auch so soulig entspannt geht wie in der Version seines Hits „One More Try“(1988)?
Die Orchesterintros zu „Through“oder „Cowboys and Angels“würden sich dagegen in einem üppigen George-MichaelMusical gut machen, das jedoch erst geschrieben werden müsste.
Ob auf die „Symphonica“-CD bald ein echt neues Projekt folgt? Die Internetseite verrät nichts. Aber auch ein Rückgriff auf alte Wham!-Zeiten würde sich anbieten. Immerhin ist „Last Christmas“heuer 40 Jahre alt. Album: „Symphonica“(Universal).