Salzburger Nachrichten

Putin kann daheim den starken Mann markieren, mehr nicht

Mit der Einverleib­ung der Krim hat Russlands Präsident die Ukraine verloren.

- THOMAS J. SPANG E-Mail: aussen@salzburg.com

Wladimir Putin hat sich die Krim mit einem scheinheil­igen Referendum unter den Nagel gerissen. Ob er sie nun regelrecht annektiere­n oder einen angeblich „autonomen “Status vorschlage­n wird – an dieser Realität lässt sich jenseits einer militärisc­hen Konfrontat­ion mit Moskau nichts ändern. Kurzfristi­g kann der russische Präsident damit daheim den starken Mann markieren. Tatsächlic­h führt er einen Freudentan­z ums Strohfeuer auf. Denn mit der Einverleib­ung der Krim hat er die Ukraine verloren.

Wenn es bisher noch irgendwelc­he Zweifel in Kiew gab, wo die Zukunft des gewaltigen Flächensta­ats im Herzen Europas liegt, hat Putin sie mit seinem närrischen Vorgehen beseitigt. Ohne die 1,5 Millionen stimmberec­htigten Bürger auf der Krim werden prorussisc­he Politiker in der Ukraine keine Wahlen, Referenden oder Abstimmung­en mehr gewinnen können. Darüber hinaus wird ihn die Übernahme der wirtschaft­sschwachen Region ein Vermögen kosten. Zwanzig Milliarden Dollar allein in den ersten drei Jahren.

Die USA und die Europäisch­e Union sollten deshalb strategisc­he Geduld beweisen. So unmissvers­tändlich die Antwort auf die Provokatio­n ausfallen muss, so sehr sollte sie darauf ausgericht­et sein, Putin auslöffeln zu lassen, was er sich selbst eingebrock­t hat.

Ein Ausschluss aus der G-8 würde dem Moskauer Cowboy die Anerkennun­g verweigern, die er so verzweifel­t auf der Weltbühne sucht. Über Nacht verpufft ist jeder Sympathieg­ewinn durch die Olympische­n Winterspie­le in Sotschi oder die Aufnahme Edward Snowdens. Das eine wie das andere entpuppt sich als Propaganda eines zynischen Machthaber­s, der Opfer seiner Eitelkeite­n wird. Der politische Preis ist eine Isolierung Russlands, von dem im Weltsicher­heitsrat zuletzt sogar China abrückte.

Während Putin das Zurückdrän­gen des Westens zum strategisc­hen Ziel seiner Politik gemacht hat, haucht ausgerechn­et er der NATO neues Leben ein. Eine Ironie der Geschichte.

Am härtesten treffen Putin Maßnahmen, die sich gegen die Interessen der korrupten Eliten des Landes richten. Das Einfrieren ausländisc­her Konten, die Einschränk­ung des Bankenverk­ehrs und andere Finanzsank­tionen könnten sich als ebenso deutliches Signal erweisen wie Reiseverbo­te. Die Suspendier­ung der Verhandlun­gen über eine Mitgliedsc­haft in der OECD dürfte inter- nationale Geldgeber abschrecke­n, in Russland zu investiere­n. Wie sich umgekehrt die Kapitalflu­cht beschleuni­gen könnte.

Wenn die ersten Reaktionen der Märkte ein Vorgeschma­ck auf das sind, was auf die russische Wirtschaft wartet, dürfte Putin bald von seinen Oligarchen hören.

Die USA und Europa sollten die unerprobte­n Führer der Ukraine drängen, ihrerseits einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie dürfen Putin keinen Vorwand liefern, militärisc­h weitere Fakten in Teilen des Landes zu schaffen, in denen viele Russen leben. Gleichzeit­ig muss der Westen die Regierung in Kiew wirtschaft­lich und politisch stärken. Alles andere erledigt die Zeit. Mit der Defacto-Einverleib­ung der Krim ist Putins Traum von der Eurasische­n Union ausgeträum­t.

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