Putin kann daheim den starken Mann markieren, mehr nicht
Mit der Einverleibung der Krim hat Russlands Präsident die Ukraine verloren.
Wladimir Putin hat sich die Krim mit einem scheinheiligen Referendum unter den Nagel gerissen. Ob er sie nun regelrecht annektieren oder einen angeblich „autonomen “Status vorschlagen wird – an dieser Realität lässt sich jenseits einer militärischen Konfrontation mit Moskau nichts ändern. Kurzfristig kann der russische Präsident damit daheim den starken Mann markieren. Tatsächlich führt er einen Freudentanz ums Strohfeuer auf. Denn mit der Einverleibung der Krim hat er die Ukraine verloren.
Wenn es bisher noch irgendwelche Zweifel in Kiew gab, wo die Zukunft des gewaltigen Flächenstaats im Herzen Europas liegt, hat Putin sie mit seinem närrischen Vorgehen beseitigt. Ohne die 1,5 Millionen stimmberechtigten Bürger auf der Krim werden prorussische Politiker in der Ukraine keine Wahlen, Referenden oder Abstimmungen mehr gewinnen können. Darüber hinaus wird ihn die Übernahme der wirtschaftsschwachen Region ein Vermögen kosten. Zwanzig Milliarden Dollar allein in den ersten drei Jahren.
Die USA und die Europäische Union sollten deshalb strategische Geduld beweisen. So unmissverständlich die Antwort auf die Provokation ausfallen muss, so sehr sollte sie darauf ausgerichtet sein, Putin auslöffeln zu lassen, was er sich selbst eingebrockt hat.
Ein Ausschluss aus der G-8 würde dem Moskauer Cowboy die Anerkennung verweigern, die er so verzweifelt auf der Weltbühne sucht. Über Nacht verpufft ist jeder Sympathiegewinn durch die Olympischen Winterspiele in Sotschi oder die Aufnahme Edward Snowdens. Das eine wie das andere entpuppt sich als Propaganda eines zynischen Machthabers, der Opfer seiner Eitelkeiten wird. Der politische Preis ist eine Isolierung Russlands, von dem im Weltsicherheitsrat zuletzt sogar China abrückte.
Während Putin das Zurückdrängen des Westens zum strategischen Ziel seiner Politik gemacht hat, haucht ausgerechnet er der NATO neues Leben ein. Eine Ironie der Geschichte.
Am härtesten treffen Putin Maßnahmen, die sich gegen die Interessen der korrupten Eliten des Landes richten. Das Einfrieren ausländischer Konten, die Einschränkung des Bankenverkehrs und andere Finanzsanktionen könnten sich als ebenso deutliches Signal erweisen wie Reiseverbote. Die Suspendierung der Verhandlungen über eine Mitgliedschaft in der OECD dürfte inter- nationale Geldgeber abschrecken, in Russland zu investieren. Wie sich umgekehrt die Kapitalflucht beschleunigen könnte.
Wenn die ersten Reaktionen der Märkte ein Vorgeschmack auf das sind, was auf die russische Wirtschaft wartet, dürfte Putin bald von seinen Oligarchen hören.
Die USA und Europa sollten die unerprobten Führer der Ukraine drängen, ihrerseits einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie dürfen Putin keinen Vorwand liefern, militärisch weitere Fakten in Teilen des Landes zu schaffen, in denen viele Russen leben. Gleichzeitig muss der Westen die Regierung in Kiew wirtschaftlich und politisch stärken. Alles andere erledigt die Zeit. Mit der Defacto-Einverleibung der Krim ist Putins Traum von der Eurasischen Union ausgeträumt.