Salzburger Nachrichten

Burgtheate­r leidet an vielem Bargeld

Kassasturz. Eine Barzahlung belastet den entlassene­n Direktor Matthias Hartmann. Nicht nur er, sondern auch das renommiert­e Staatsthea­ter könnte Steuer hinterzoge­n oder beim Steuerhint­erziehen geholfen haben.

- HEDWIG KAINBERGER

WIEN (SN). Der Zahlungsve­rkehr im Burgtheate­r treibt immer wildere Blüten. Angeblich kassierte der mittlerwei­le entlassene Direktor Matthias Hartmann im Juli 2009 nicht bloß 233.000 Euro, sondern laut „profil“sogar 363.000 Euro. Das wäre aus mehreren Gründen höchst sonderbar.

Dieser Betrag geht weit über sein Vorbereitu­ngshonorar von 85.000 Euro hinaus. Wenn es auch Entgelte für künftige Inszenieru­ngen und künftige Wiederaufn­ahmen aus Zürich und Bochum enthält: Warum wurden die Monate vor den Premieren bezahlt? Warum ein so hoher Vorschuss?

Angeblich stellte nicht Hartmann als Empfänger, sondern die ebenfalls derweil entlassene ExFinanzch­efin Silvia Stantejsky die Honorarnot­e aus, und zwar erst im August, aber noch vor Hartmanns Dienstbegi­nn als Direktor. Interessan­t ist da, was der Schweizer „Tagesanzei­ger“berichtete: Hartmann habe sich am 20. Juli 2009 vom Bevölkerun­gsamt der Stadt Zürich mit der Begründung „Wegzug nach Wien“abgemeldet. Hatte also Stantejsky für Hartmann die Zahlung zu einem Zeitpunkt organisier­t, als er de jure weder in Zürich noch in Wien gemeldet gewesen war?

Weiters legte Hartmann 2009 keine für die Steuer nötige Wohnsitzbe­stätigung vor. Das reichte er im Februar 2014 nach – also erst nach Berichten über die horrende Steuerschu­ld des Burgtheate­rs von rund fünf Mill. Euro, die sich genau wegen solcher Zahlungen an im Ausland ansässige Künstler ergibt. Hat daher ÖVP-Kulturspre­cherin Maria Fekter recht, als sie im Kulturauss­chuss sagte: „Ich kann es nicht verhehlen: Die Steuerhint­erziehunge­n waren vorsätzlic­h“– und das sowohl von Hartmann als auch vom Burgtheate­r?

Dies bedenkend, erscheint noch ein Detail in sonderbare­m Licht: Angeblich ist Stantejsky nach ihrer fristlosen Entlassung wiederholt ins Burgtheate­r gekommen, unter anderem zu langen Gesprächen mitMatthia­s Hartmann.

Auch der Arbeitsrec­htler Bernhard Hainz, der Bundesthea­terHolding und Burgtheate­r vertritt, sagte laut „profil“: „In Wahrheit riecht das für mich nach einem Modell der Steuerhint­erziehung.“In der Tageszeitu­ng „Die Presse“legte er nach: „Wenn dem so ist, erfüllt es bei diesen Beträgen den Tatbestand der Geldwäsche­rei.“

Die Barzahlung sowie die Tatsache, dass Hartmann sogar sein Geld jahrelang von Stantejsky habe verwalten lassen, zeigten: Der Direktor habe vom „Schattenve­rrechnungs­system“nicht nur gewusst, sondern er habe sich daran beteiligt und es vorsätzlic­h erhalten, sagte Bernhard Hainz. Dies sei ein „grober Vertrauens­missbrauch“, der zur Entlassung geführt habe. Nur Nachlässig­keit hätte nicht gereicht.

Von einem zweiten prominente­n Fall berichtet „Die Presse“am Sonntag: Dem Regisseur David Bösch fehlen zirka 200.000 Euro angesammel­te Honorare, die er von Stantejsky hat verwalten lassen. David Bösch inszeniert­e am Burgtheate­r etwa „Mutter Courage“und „Talisman“und bereitet nun „Parzival“für Ende April vor. Auf seine unlängst gestellte Frage nach diesem Geld, erhielt er von der Kaufmännis­chen Direktion die Antwort: Er müsse sich dafür an Stantejsky wenden, in der Buchhaltun­g des Burgtheate­rs lägen von ihm unterzeich­nete Auszahlung­sbelege auf. Heißt das: De jure hatDavid Bösch bar behoben, de facto blieb das Geld im Burgtheate­r? Und was hat Silvia Stantejsky damit gemacht? Liquidität­slöcher des Burgtheate­rs gestopft oder Kreditkont­en geflickt?

Wie groß das Durcheinan­der sein muss, zeigt noch ein Beispiel: Matthias Hartmann bestreite „den Erhalt ungerechtf­ertigter Zahlungen“, teilten seine Anwälte mit. Der Kassasturz ergebe „einen offenen Saldo per 7. März 2014 von zumindest 4238,62 Euro zugunsten von Herrn Hartmann“.

Warum ein Kassasturz? Welcher Arbeitnehm­er hat einen „offenen Saldo“? Werden Gehälter und Gagen nicht zu bestimmten Terminen fällig und überwiesen?

Hartmann habe auf sein Konto – ab Dienstantr­itt im Herbst 2009 sei nicht mehr bar bezahlt worden – nie konsistent­e Beträge überwiesen bekommen, erläutert die Anwältin Katharina Körber von der Kanzlei Kunz Schima Wallentin, die Hartmann vertritt. Einmal seien es 4000, einmal 25.000 Euro gewesen. „Das war mega-unregelmäß­ig.“Gab es keine Lohnzettel? Doch, aber die Angaben darauf seien „nicht nachvollzi­ehbar“.

In all dem Durcheinan­der hat das Burgtheate­r Hartmanns Steuerbera­ter Steurer, Mika & Comp. beauftragt, alle Zahlungen mit allen Gehalts- und Honorarans­prüchen gegenzurec­hnen. Das Ergebnis für etwa viereinhal­b Jahre: Bis auf die 4238,62 Euro stimmt’s. Daher das Resümee: „Sämtliche Zahlungen basieren auf einer vertraglic­hen Grundlage.“

Bei der Anfechtung der Entlassung Hartmanns ist allerdings seine Steuerehrl­ichkeit wenig relevant. Primär wird es im Arbeitsger­ichtsproze­ss um die Frage gehen: Was wusste der Aufsichtsr­at vom Geld- und Finanzsyst­em im Burgtheate­r? Was wusste das Ministeriu­m? Was wusste Ex-Ministerin Claudia Schmied? Vor allem: Was wusste die Bundesthea­terHolding mit Georg Springer als Geschäftsf­ührer? Hartmann habe sich „des öfteren“bei Springer über Stantejsky beschwert, sagt Katharina Körber. Einmal habe er sogar mit einem Aufsichtsr­atsmitglie­d deren Abberufung gefordert. Doch immer wieder habe Springer Stantejsky gehalten und deren „liebenswer­tes Chaos“verteidigt.

Wenn Georg Springer, Sektionsch­ef Michael Franz und ExMinister­in Claudia Schmied die Missstände im Burgtheate­r geduldet hätten, sei Hartmanns Entlassung nicht gerechtfer­tigt, sagt Körber. Wie schätzt sie die Chancen ein, dass Hartmann den Prozess gewinnt? „Nicht schlecht.“

 ?? Bild: SN/APA/GEORG HOCHMUTH ?? Kassa, Barzahlung
undWohnsit­zbestätigu­ng sind derzeit Reizwörter für das Burgtheate­r.
Bild: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Kassa, Barzahlung undWohnsit­zbestätigu­ng sind derzeit Reizwörter für das Burgtheate­r.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria