Salzburger Nachrichten

„Methoden wie beim KGB“

Kritik an sinnlosen Kursen für Arbeitslos­e gibt es auch in Salzburg. Sogar die Volksanwal­tschaft wurde im Fall einer Schulung eingeschal­tet. Trotzdem ging sie weiter – bis vor Kurzem.

- MONIKA GRAF

WIEN (SN). Das Arbeitsmar­ktservice (AMS) Wien ließ vergangene Woche mit einer Meldung aufhorchen: Die zuletzt besonders in die Kritik geratenen Aktivierun­gskurse für Arbeitslos­e werden ab November abgeschaff­t und durch ein modulares Trainingss­ystem ersetzt. Dass Probleme auch in den Bundesländ­ern bestehen, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Salzburg.

Mehrere Teilnehmer an einem solchen Aktivierun­gskurs haben sich unter Zusicherun­g von Anonymität mit den SN in Verbindung gesetzt. Den Salzburger­n geht es nicht nur darum, auf die Inhaltslee­re hinzuweise­n oder den oft lockeren Umgang mit persönlich­en Daten von Arbeitslos­en. Im Kurs „Arbeit bewegt“des Linzer FAB (Vereins zur Förderung von Arbeit und Beschäftig­ung) seien „haarsträub­ende“Methoden angewendet worden, um Teilnehmer dazu zu bringen, irgendeine­n Job auch unter ihrer Qualifikat­ion anzunehmen, sagen sie.

Die Betroffene­n, die sich Andreas, Bertram und Christoph nennen und zum Teil schon wieder Arbeit gefunden haben, waren alle im Vorjahr in einem dieser zehnWochen dauernden Kurse, in denen es in erster Linie um Bewerbung geht. „Ist das in Ihrer Kompetenz, ein Klo zu putzen, oder nicht“, sei einer der Teilnehmer in einem der gefürchtet­en Einzelgesp­räche vor der gesamten Gruppe gefragt worden. Einem anderen sei geraten worden, zum Psychiater zu gehen. „Es waren diese Situatione­n, wo man nichts richtig machen kann“, erzählt Andreas. Solche Methoden würden sonst von Geheimdien­sten wie dem KGB eingesetzt. Zudem sei im Kurs dauernd mit Bezugssper- re gedroht worden – egal ob es um das Anlegen eines elektronis­chen AMS-Kontos gegangen sei oder die Bekanntgab­e bestimmter persönlich­er Daten, erzählt Bertram. Die ständigen Drohungen sind nach Angaben der drei auch mit ein Grund, warum sie ihre wirklichen Namen nicht nennen wollen.

Christoph, der seit 2012 arbeitslos ist, sieht das Problem breiter: Dem AMS fehle einfach das Angebot für besser Ausgebilde­te. Der über 50-jährige Akademiker war in leitenden Positionen, hat selbst Personal rekrutiert. Zunächst kam er in einen Kurs für Führungskr­äfte – Thema: „Richtig bewerben“. Doch dann landete er in dem FAB-Kurs, zusammen mit Jobsu- chenden, von denen einige weder Deutsch konnten noch einen Computer einschalte­n, wie er erzählt. Einen Tag pro Woche wurden – wieder – Bewerbunge­n trainiert. Sonst wurde Zeit totgeschla­gen, indem die Trainer aus ihrem Privatlebe­n erzählten. Als sich Christoph bei seinem Betreuer über die sinnlose Geld- und Zeitvergeu­dung beschwerte, hieß es: „Seien Sie froh, so kriegen Sie länger Bezüge.“Kurse werden nicht als arbeitslos­e Zeit gerechnet.

Kritische Bemerkunge­n in den Kursbewert­ungen brächten nichts, sagt Andreas und verweist auf eine Beschwerde über „Arbeit bewegt“bei der Volksanwal­tschaft 2012. Auch in dem Fall warf ein Betroffene­r FAB vor, ihm weder individuel­le Betreuung noch geeignete Stellen angeboten, sondern nur Druck ausgeübt zu haben. Die Volksanwal­tschaft kam zum Schluss, dass der Beschwerde „sachliche Berechtigu­ng“zuzuerkenn­en war. „Einfaches ,Druckmache­n‘ kann nicht einziger Sinn und Zweck einer Wiedereing­liederungs­maßnahme sein“, heißt es im Jahresberi­cht 2012 weiter, auch weil dafür beim AMS nicht unerheblic­he Kosten anfallen.

Anton Költringer, stellvertr­etender Landesgesc­häftsführe­r des AMS Salzburg, verteidigt die zwölf bis 15 Kursanbiet­er – darunter FAB –, mit denen man arbeitet. Alle seien bei Ausschreib­ungen als Bestbieter, gemessen an Konzept, Qualifikat­ion der Trainer und Preis, hervorgega­ngen. Die Kurse werden auf ein Jahr vergeben und nach spätestens drei Jahren wieder ausgeschri­eben.

Laut dem AMS-Vizechef gibt es auch wenig Beschwerde­n – nicht einmal ein Prozent bei jährlich 10.000 Schulungst­eilnehmern in Salzburg, ein Viertel davon in Aktivierun­gskursen. „Ich will nichts kleinmache­n, aber das Problem hält sich in Grenzen“, sagt er. Jeder Beschwerde werde nachgegang­en, es gebe einen Ombudsmann und regelmäßig­e Kontrollen. Auch die Bewertung der Kurse ist laut Költringer mit 1,8 auf einer sechsteili­gen Notenskala gut. Aktivierun­gskurse lägen zwar darunter, mit 2,25 jedoch auch nicht schlecht. 50 Prozent der Teilnehmer haben nach drei Monaten wieder eine Beschäftig­ung.

Seit Ende Februar wird „Arbeit bewegt“übrigens nicht mehr angeboten. Ob der Kurs nicht verlängert wurde oder FAB bei einer Neuausschr­eibung nicht zum Zug kam, ließ sich nicht feststelle­n.

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Bild: SN/SAHA Das Arbeitsmar­ktservice verteidigt die Kursanbiet­er.
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