Salzburger Nachrichten

Putin eint die EU – vorerst

Sanktionen. Die EU-Außenminis­ter haben die nächste Stufe an Sanktionen beschlosse­n. Eine klare Botschaft an Russland, aber auch an die östlichen Staaten in den eigenen Reihen.

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BRÜSSEL (SN-pack, dpa). Keine Nachtsitzu­ng, nicht einmal ein allzu spätes Mittagesse­n wurde es für die EU-Außenminis­ter bei ihrer Sitzung am Montag in Brüssel. Der Rat ging überrasche­nd pünktlich zu Ende, obwohl es „keiner der einfachste­n“war, wie Deutschlan­ds Vertreter FrankWalte­r Steinmeier sagte.

Das Ergebnis zeugt dennoch von Einigkeit. Wie in der vergangene­n Woche angedroht, wurde als Reaktion auf die Besetzung der ukrainisch­en Krim-Halbinsel die nächste Stufe an Sanktionen gegen die politische Führungssp­itze Russlands beschlosse­n. Es geht dabei um Kontensper­ren und Reiseverbo­te für Angehörige der russischen Elite.

„Die Einverleib­ung in russisches Staatsgebi­et würde einen Verstoß gegen das Völkerrech­t darstellen und politisch kann ich überhaupt nicht verstehen, dass wir sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg anfangen, die Grenzen in Europa zu korrigiere­n“, betonte Steinmeier.

Die Einigung auf das Inkraftset­zen der Sanktionen war nicht einfach. Zu unterschie­dlich sind die Positionen der 28 Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union. Die östlichen Mitgliedss­taaten – vor allem die drei baltischen Länder Lettland, Litauen und Estland – reagieren angesichts ihrer erst 1989/91 beim Zerfall der kommunisti­schen UdSSR errungenen Selbststän­digkeit und Freiheit am sensibelst­en. Es herrscht bei ihnen große Sorge, dass der Einmarsch in die Ukraine erst der Anfang sein könnte.

Daher seien die Sanktionen eine Botschaft „in zwei Richtungen“– an Russland, aber auch an die östlichen EU-Länder. „Viele hätten sich vielleicht härtere Sanktionen gewünscht“, meinte Österreich­s Außenminis­ter Sebastian Kurz. Allerdings müsste der Weg zu Gesprächen weiterhin offen bleiben.

Mehr besorgt als optimistis­ch wirkte Steinmeier, auch wenn er sich positiv zu der Möglichkei­t einer Beobachter­mission der Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) in der Ukraine äußerte. Es könnte sein, sagte er, dass sich die Hinderniss­e dafür beseitigen ließen.

Der deutsche Außenminis­ter wünschte sich den Einsatz dieser Mission bereits in den nächsten Tagen. Die EU müsse Vorsorge treffen, dass die Situation nicht weiter eskaliere, sagte er. Wenn Russland über die Krim hinauswoll­e, würden die Staats- und Re- gierungsch­efs nicht darum herumkomme­n, weitere Sanktionen zu beschließe­n, sagte Steinmeier.

Mit der Einigkeit der Mitgliedss­taaten der Europäisch­en Union dürfte es dann wohl vorbei sein, einige Länder haben sich bereits vorsorglic­h gegen wirtschaft­liche Sanktionen ausgesproc­hen, Zypern etwa laut Steinmeier „sehr nachhaltig“. Die Debatte würde sicher länger als die gestrige der Außenminis­ter werden.

Lange Debatten wird es aber in dem Fall geben, dass es zwar zu keiner weiteren Eskalation des Ukraine-Konflikts kommt, aber auch zu keinen nennenswer­ten Fortschrit­ten. Ob sich die EU in einer Pattsituat­ion auf weitere Sanktionen verständig­en kann, ist fraglich.

Anderersei­ts: Wirtschaft­liche Strafmaßna­hmen könnten Russland schmerzhaf­t treffen. Auf Moskau kommen jetzt hohe Kosten zu. Der Anschluss der bisher ukrainisch­en Halbinsel Krim mit ihren zwei Millionen Bewohnern ist für das ohnehin schon strapazier­te russische Staatsbudg­et eine große Belastung. Von 88 Milliarden Rubel Zusatzkost­en – also fast zwei Milliarden Euro – im Jahr berichtet etwa die Zeitung „Wedomosti“.

Kommentato­ren warnen, dass die Olympische­n Winterspie­le in Sotschi mit Rekordkost­en von 37,5 Mrd. Euro eine Kleinigkei­t gewesen seien im Vergleich zu dem, was an Infrastruk­turkosten für die Erneuerung der Krim jetzt bevorstehe.

Moskau hat Pensionen wie auf russischem Niveau versproche­n – etwa das Doppelte der ukrainisch­en Zahlungen, die zuletzt wegen des drohenden Staatsbank­rotts nicht mehr vollständi­g flossen. Es geht um 600.000 Pensionist­en. Auch die etwa 200.000 Staatsbedi­ensteten sollen so bezahlt werden wie in Russland. Das Pro-Kopf-Einkommen auf der Krim liegt Analysten zufolge aktuell bei 10.800 Rubel (200 Euro) – in Russland bei 37.000 Rubel.

Präsident Wladimir Putin, der auf Währungsre­serven sitzt, die zu den größten der Welt gehören, dürfte heute, Dienstag, bei seiner eigens angesetzte­n Rede im prunkvolle­n Georgssaal im Kreml wohl nicht nur die Arme weit öffnen für die Krim-Bewohner, sondern auch die Schatulle des russischen Staates. Knapp 500 Mrd. Dollar hat die nach dem Zerfall der Sowjetunio­n 1991 wiedererst­arkte Rohstoffma­cht Russland mit enormen Gas- und Ölressourc­en bis heute angehäuft.

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Bild: SN/AP Westliche Sanktionen sollen Präsident Putin für Krim-Politik strafen.

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