Gefangen als ewige Pop-Prinzessin
Musik. Madonna erfindet sich immer wieder neu. Lady Gaga auch. Warum darf Kylie Minogue nicht altern?
SALZBURG (SN). Die DiscopopPrinzessin ist gefangen im Loop. Kürzlich hatte der Song „Into the Blue“, die Vorabsingle zu Kylie Minogues neuem Album „KissMe Once“, seine Premiere. Er klingt wie ein Versuch, es mit den jungen Leuten in den Charts aufzunehmen. Ein gar nicht so übler Versuch. Rhythmisch erinnert er an die Hits von R’n’B-Superstar Rihanna. Auch ein Hauch, zum Glück nicht mehr, von David Guettas Erfolgssound ist zu vernehmen. Schön und gut. Aber warum darf die Frau nicht einigermaßen würdevoll zu ihren 45 Jahren stehen? Oder neue Rollen ausprobieren, wie es seit Madonna Popstars abverlangt wird? Warum muss Kylie Minogue immer noch die junge, ewig strahlende Discopop-Prinzessin geben? Eine Rolle, die sie immerhin seit 1988 spielt, als das Produzententeam StockAitken-Waterman sie ihre ersten Hits „Locomotion“und „I Should Be So Lucky“trällern ließ?
Sie hat ja versucht, sich zu verändern. Schon in den 90er-Jahren nahm sie im Gefolge der BritpopWelle ein Album mit Gitarrenpop auf. Gute Kritiken, doch es floppte. Zuletzt veröffentlichte sie Neuaufnahmen ihrer Hits mit großem Orchester. Ein paar freundliche Besprechungen, aber Kassengift. Mit Ausnahme von „Where the Wild Roses Grow“, ihrem schönen Duett mit Nick Cave, wurden Anläufe, eine etwas mehr ihrem Alter und vielleicht auch ihrem persönlichen Geschmack entsprechende Musik zu machen, von Käufern bislang bestraft.
Also musste mit „Kiss Me Once“wieder ein „sexy“Album mit Discopop her, das an Hits wie „Can’t Get You Out of My Head“(2001) erinnert, eines der zahllosen Comebacks der Sängerin. Im Video dazu verhüllte nur ein Tuch kunstvoll ihren Körper. Das war so geschickt inszeniert, dass daraus einer der prägenden visuellen Momente im Popgeschehen des Jahrzehnts wurde.
Inzwischen hat Kylie Minouge in ihren Videoclips etwas mehr an. Dafür müssen die Songtitel umso Freizügigeres versprechen. So heißt ein neues Stück „Sexy Love“, ein anderes „Sexercize“, ein drittes „Les Sex“. Es hat etwas Schräges, wenn ein Frau von Mit- te 40 immer noch Texte wie „Give me that sexy love, you look so sexy“singen muss. Texte waren freilich noch nie ihre Stärke. Und singen kann sie, bei aller Sympathie, ja auch nicht besonders schön.
Insofern ist es ein Wunder, dass sie beinahe 27 Jahre nach ihrem ersten Auftritt als Popsternchen immer noch da ist und Hallen füllt. Denn gut ausschauen können andere ebenfalls, daran allein kann ihr Erfolg nicht liegen. Was dieser Frau neben einem guten Team, das ihr immer wieder eingängige Vier-Minuten-Nummern zum Tanzen maßschneidert, so eine lange Karriere beschert hat, ist ein Phänomen, das man nur Kylie-Effekt bezeichnen kann.
Man sieht ihr Gesicht in einer Zeitung – und freut sich. Man hört einen ihrer Hits – und hat etwas bessere Laune. Minogue und ihre Musik sind Glücksbringer und Sympathieträger. Das liegt daran, dass die Künstlerin wie ihr Werk bescheiden geblieben sind.
Nie hat sie versucht, in Interviews besonders gescheit rüberzukommen oder den Weltfrieden einzufordern. Sie käme auch nicht auf die Idee, sich als leidende Künstlerseele zu präsentieren wie zuletzt Lady Gaga. Und vor allem machte sie nie Negativschlagzei-
als len. Zumeist konzentriert sie sich einfach auf ihre Kernkompetenz: schnell konsumierbare und leicht mitzuträllernde Musik ohne allzu große Ambitionen, aber doch mit einem gewissen Stil und Niveau.
Sie ist vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ihres Schaffens wie 2001 bei ihrem besten Album „Fever“. Aber es reicht immer noch für sehr kurzweilige Unterhaltung. Verlässlichkeit ist Kylie Minogues zweiter Vorname. Sie wird noch länger die Discopop-Prinzessin der Herzen bleiben. Album: Kylie Minogue „Kiss Me Once“(Warner). Live: 23.10., Wien, Stadthalle