Salzburger Nachrichten

Der Glanz im Osten ist verblasst

Ernüchtert. Spar verlässt Tschechien. Der Bank Austria beschert Osteuropa einen Rekordverl­ust. Kein Einzelfall: Viele heimische Unternehme­n haben sich im Osten übernommen. Viele sehen aber weiter gute Chancen.

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SALZBURG (SN). Von der einstigen Goldgräber­stimmung ist wenig geblieben: Die Alpine Bau pleite, bauMax strauchelt. Ursache dafür ist in beiden Fällen nicht zuletzt das Osteuropag­eschäft. Auch andere haben zum Rückzug geblasen: Gigasport hat seine Filialen in Osteuropa zugesperrt, Spar das Tschechien-Geschäft verkauft, Billa hat Polen 2009 verlassen.

Auch bei den Managern österreich­ischer Banken ist das Leuchten in den Augen verschwund­en, wenn sie heute von Osteuropa reden. Die „großen drei“des heimischen Finanzwese­ns – Erste, Raiffeisen­bank Internatio­nal (RBI) und Bank Austria – müssen der Reihe nach die Bewertunge­n für ihre Osteuropa-Töchter nach unten berichtige­n. Zuletzt hat das die Bank Austria eindrucksv­oll gemacht. Sie hat mit einem Schlag alle Firmenbete­iligungen auf null abgewertet. In der Folge steht unter der Bilanz des Jahres 2013 ein Nettoverlu­st von 1,6 Mrd. Euro. Das heißt, die Ertragscha­ncen der Osttöchter werden wesentlich geringer eingeschät­zt als zum Zeitpunkt des Kaufs.

Österreich­s stark im Osten engagierte Banken gehören damit zu den Spätzünder­n, was die Bewältigun­g der Finanzkris­e in den Bilanzen betrifft. Längst haben sich Institute aus Skandinavi­en, den Niederland­en oder Belgien aus der Region zurückgezo­gen, auch US-Banken haben solche schmerzhaf­ten Schnitte in der Bilanz schon vor Jahren gemacht.

Probleme haben bei Weitem nicht nur die Banken. „Bei mehr als jedem zweiten Betrieb, den wir bei einer Restruktur­ierung betreuen, liegt eines der Probleme im starken Engagement in Osteuropa“, sagt Gerhard Wüest, Geschäftsf­ührer der Management­Factory, einem Zusammensc­hluss von Sanierern und Managern auf Zeit. Dabei liegen dieWachstu­msraten in Osteuropa zuletzt meist deutlich über jenen in Österreich oder Deutschlan­d. „Den massiven Absturz hat man damit noch nicht aufgeholt.“Und viele Unternehme­n – vor allem im Bereich Bau, Handel oder Banken – hätten ihr Geschäftsm­odell in Osteuropa schlicht nicht auf ein Wachstum von zwei oder drei Prozent, sondern von 20 Prozent ausgelegt. „Hat man das Wachstum mit Eigenmitte­ln finanziert, muss man jetzt die Gewinnerwa­rtung zurückschr­auben. All jene aber, die fremdfinan­ziert gewachsen sind, beim Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) zwischen zwei und drei Prozent in der Region für die nächsten Jahre nahe – rund doppelt so viel wie in Westeuropa. Damit bleiben Mittel-, Ost- und Südosteuro­pa „der große Wachstumsm­arkt vor der Haustür“, sagt Ökonom Mario Holzner vom Wiener Institut für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e (WIIW). Frühere Steigerung­en wie vier oder fünf Prozent gehörten aber der Vergangenh­eit an, meint WIIW-Kollege Peter Hawlik: „Das ist vorbei und wird nicht wieder kommen.“Anhalten werde auf jeden Fall der Aufholproz­ess des Ostens an den Westen, davon ist Thomas Url vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) überzeugt. Denn einerseits würden sich die Einkommen auf westliches Niveau angleichen, anderersei­ts gebe es gerade bei Finanzdien­stleistung­en viel Aufholpote­nzial zum Westen. Ein Rückzug des Finanzsekt­ors aus dem Osten sei nicht zu erwarten, „dafür sind die Profitmögl­ichkeiten einfach zu hoch“.

Probleme und Marktrückz­ug von Unternehme­n bieten zudem Möglichkei­ten für andere. „Bin ich in Osteuropa derzeit gut aufgestell­t, bieten sich durch Übernahmen gute Chancen, weiter zu wachsen“, sagt Berater Wüest. Unberührt von Problemen in Osteuropa seien auch all jene heimischen Betriebe, die in Osteuropa für den westlichen Markt produziere­n. Sie könnten von den Währungsve­rlusten oder gestiegene­r Arbeitslos­igkeit sogar profitiere­n.

Wie gut es auch heute noch in diesen Märkten laufen kann, zeigt das Beispiel Rewe (Billa, Merkur, Adeg, Penny), wo man mit dem Osteuropag­eschäft höchst zufrieden ist. Zwar hat man bereits 2009 Polen verlassen, alle anderen Märkte entwickelt­en sich aber positiv. „Wir erwirtscha­ften mittlerwei­le etwa 40 Prozent des Gesamtumsa­tzes in Italien und Osteuropa“, so eine Sprecherin.

Für die AUA war die Region lange der Kernmarkt, Wien war quasi das Tor zum Osten. Die Flüge nach Zentral- und Osteuropa machen 40 Prozent aller Kurzstreck­enflüge aus. Vertriebsv­orstand Carsten Benz will die Zentral- und osteuropäi­schen Länder nicht über einen Kamm scheren. Es gebe Länder wie Polen, die hervorrage­nd liefen, in anderen sei das Geschäft verhaltene­r. KARIN ZAUNER, HELMUT KRETZL, REGINA REITSAMER,MONIKA GRAF.

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Bild: SN/TRAVELWITN­ESS - FOTOLIA In Osteuropa war nicht alles Gold, was glänzte – auch nicht in Prag.
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