Sparen, um die Besten zu bleiben
Unter Druck. Fast eine Mrd. Euro will die voestalpine bis 2016 einsparen, um das Ergebnis zu halten. Den Großteil der Effizienzgewinne fressen die Standortkosten in Europa auf.
Wir werden keine Mitarbeiter abbauen. Wolfgang Eder, voestalpine-Chef
WIEN (SN-mg). In den vergangenen fünf, sechs Monaten waren die fünf Vorstände des österreichischen Vorzeigekonzerns voestalpine und ihre Teams ziemlich beschäftigt. Seit Herbst mussten sie ein neues, massives Kostensenkungsprogramm erarbeiten, diesmal ohne externe Hilfe, nachdem die Berater beim letzten Mal ihre in Linz gewonnenen Erkenntnisse dann der Konkurrenz angeboten haben. Am Dienstag hat Vorstandschef Wolfgang Eder das Ergebnis präsentiert: 900 Mill. Euro will der stahlbasierte Technologie- und Industrieproduktekonzern, wie sich die voestalpine selbst definiert, in den kommenden drei Geschäftsjahren einsparen. Nicht durch Personalreduktion, sondern indem in allen vier Divisionen und im Konzern insgesamt an allen Kostenschrauben gedreht wird. „Nehmen Sie bitte mit, dass wir keine Mitarbeiter abbauen“, sagte Eder. Das Unternehmen investiere nicht jedes Jahr 50 Mill. Euro in Aus- und Weiterbildung, um die Mitarbeiter dann gehen zu lassen.
Für die voestalpine geht damit ein Effizienzprogramm nahtlos ins nächste über. In den vergangenen drei Jahren wurden die Kosten schon um 600 Mill. Euro reduziert. Das sei notwendig, um den Erfolg des Unternehmens langfristig abzusichern, sagte Eder. Bis 2008 habe man nach einem Sparprogramm fünf Jahre Ruhe gehabt. Das sei vorbei. „In Zukunft wird es kein Jahr mehr ohne Herausforderungen geben“, sagte er, „der Druck steigt permanent“. Allein die Personalkosten kletterten jährlich um 120 Mill. Euro nach oben, dazu kämen rund 100 Mill. Euro für den Zukauf von CO -Zertifikaten. Daher werde sich das Ergebnis in Summe auch nur um rund 200 Mill. Euro verbessern, obwohl die Kosten um fast eine Mrd. Euro sinken. „Das zeigt, wie kritisch die Situation in Europa geworden ist“, sagte Eder. Er ist einer der schärfsten Kritiker der hohen Abgaben und Energiekosten in Europa.
Der Schwerpunkt der Einsparungen liegt mit 40 Prozent auf der Stahl-Division. Ob bei den Rohstoffkosten, die eigentlich als gegeben gelten, oder bei der Energieeffizienz, wo die voestalpine schon zu den Weltbesten gehört, überall sehe man noch Möglichkeiten, sagte Eder. Der Standort Linz mit seinen gut 10.000 Mitarbeitern wird völlig umorganisiert. Wie genau wird nicht verraten. Auch andere Geschäftsbereiche wie das Weichensegment werden gestrafft und umgebaut.
Bei den rund 150 großen Produktionsstandorten der voestalpine weltweit wird sich laut Eder nichts ändern, außer dass Restrukturierungen wie im hessischen Wetzlar beschleunigt werden. Dagegen müssen sich die etwa 350 Vertriebs- und Servicestellen auf eine Reduktion einstellen. Gespart werden soll auch bei der Logistik. Transport und Lagerung der Rohstoffe kosten den Konzern im Jahr 500 Mill. Euro. „Wenn es gelingt, zehn Prozent einzusparen, sind das auch 50 Mill. Euro“, betonte Eder. Das Gleiche gelte für die Instandhaltungskosten. Den Mitarbeitern winkt bei Erreichen der Sparziele eine Prämie. Die voestalpine gilt heute schon als Paradebeispiel für Effizienz in der Stahlbranche. Bis 2020 will der Konzern seinen Umsatz von zuletzt 11,5 auf 20 Mrd. Euro fast verdoppeln und dafür rund eine Mrd. Euro im Jahr investieren. Das Wachstum wird allerdings vor allem außerhalb Europas stattfinden, konkret in China und in den USA, wo die Nachfrage nach Stahl für die boomende Automobilindustrie groß ist. Rund eine halbe Mrd. Euro investiert die voestalpine derzeit in eine Anlage zur Erzeugung von Eisenkonzentrat, nicht zuletzt wegen der geringeren Gaspreise in den USA.
Die positiven Konjunktureinschätzungen in der EU teilt Eder – wie schon in der Vergangenheit – nicht: „Wir stellen uns auf einige weitere schwierige Jahre ein.“
Beim EU-Gipfel diese Woche in Brüssel hofft er, dass die Staatsund Regierungschefs keine Entscheidung zur künftigen EU-Energiepolitik treffen. Aus Sicht von Eder sind die Vorschläge der EUKommission nicht ausgegoren. Die geplante Reduktion der Treibhausgasemissionen in Europa um 40 Prozent bis 2030 würde die voestalpine beim angestrebten Preis von 40 Euro pro Tonne CO 230 Mill. Euro im Jahr kosten. Das wäre in etwa so viel, wie die Division Stahl heute operativ verdient.
Die Anleger zeigten sich über die Sparpläne erfreut: Die voestAktien stiegen um 5,5 Prozent auf 32,06 Euro.