„Das Leben ist schön und andere Märchen“
SALZBURG (SN). Märchen sind grausam. In den Volksmärchen der Brüder Grimm, in den Kunstmärchen von Andersen, in den Märchen der Welt, ob in Indonesien oder in den Anden machen Menschen schmerzvoll mit der Wirkung ungerechter Verhältnisse Bekanntschaft.
Wenn sie Glück haben, gelingt ihnen ein Befreiungsschlag, und der Leser darf durchatmen, weil die Welt wieder in friedvoller Gleichmäßigkeit verläuft. Das mutet Elisabeth Escher ihrem jungen Publikumnicht zu.
Von Anfang an geht es freundlich zu, und ist Gefahr in Verzug, steht jemand bereit, der seine Dienste anbietet. Dann sehen wir, dass niemand allein steht in der Welt und sich ein Ausweg immer irgendwo auftut.
Nehmenwir nur dieMaus, die sich im Kloster eines angenehmen Lebens erfreuen darf. Dann hört sie, dass die Mönche der Meinung sind, dass Mäuse innerhalb der Klostermauern nichts verloren hätten. Fortan muss sie um ihr Leben bangen. Richtig gefährlich wird es trotzdem nie. Denn als sie tatsächlich einem Mönch über den Weg läuft, gelingt es ihr allmählich, seine Zuneigung zu gewinnen. Sie kapiert nämlich rasch, dass der Mann, der sich am liebsten in der Bibliothek verbarrikadiert, von Einsamkeit gequält wird. Sie bietet sich für ihn als Kumpel an, das hilft beiden.
Von dieser Art sind also die Märchen, wie sie Elisabeth Escher erzählt. Zwei halten zusammen wie Pech und Schwefel, dann gelingen selbst Vorhaben, die für einen Einzelnen zu schwer sind. Das sind Mutmach-Geschichten, die jedem verständlich machen, dass er sich immer wieder einmal klein und mickrig vorkommen mag. Doch in seinem Inneren verfügt er über Kräfte, die ihn zu einem starken Charakter wachsen lassen. Rabe, Wichtel, Kater und der Buchstabe X, sie alle sind angewiesen auf andere, die ihnen hilfreich zur Seite stehen. Gemeinsam sind sie stark. Das ist die Botschaft, die von diesen Märchen ausgeht.
Escher entführt in reine Fantasiewelten. Das Hier und Jetzt, das klassische Märchen bei aller Erfindungslust im Auge haben, wird ausgeblendet. Das hängt damit zusammen, dass es nicht um Zustände von Macht und Herrschaft geht, sondern um die Vorgänge der Seele. Escher zielt direkt ins Herz ihrer jungen Leser.