Salzburger Nachrichten

Die erste „Frau Direktor“ist „kein Notnagel“.

Gestalteri­n. Die neue Interimsdi­rektorin versichert: „Ich bin kein Notnagel“und präsentier­t schon erste Ideen.

- HEDWIG KAINBERGER

WIEN (SN). Am helllichte­n Vormittag drang aus dem Dunkel des Zuschauerr­aums im Burgtheate­r Applaus. Dann kurze Stille. Dieser folgte lauter Applaus samt fröhlichem Johlen. Für eine Vorstellun­g war nicht nur die Tageszeit unüblich: Hier wurde nicht den Schauspiel­ern applaudier­t, sondern diese selbst und andere Mitarbeite­r im Haus am Ring klatschten.

Die Vorstellun­g war jene der neuen Direktorin, der ersten Frau in diesem Amt: Karin Bergmann. Bis 2010 war sie Künstleris­che Vizedirekt­orin des Burgtheate­rs, an dem sie – mit Unterbrech­ungen – seit 1986 gearbeitet hatte. Sie verließ es wegen Kontrovers­en mit dem damals neuen Direktor Matthias Hartmann.

Als Kulturmini­ster Josef Ostermayer (SPÖ) in der Vorwoche Hartmann fristlos entlassen hatte, bekam auch er Emotionen der Burgschaus­pieler zu spüren: betretenes Schweigen und einige Buhrufe. Viele waren erschütter­t, einige beeindruck­t von Ostermayer­sMut, aber nicht alle waren erleichter­t, dass Matthias Hartmann gefeuert war, der viele von ihnen nachWien geholt hatte.

Diesen kontrovers­en Emotionen hat sich Karin Bergman nun zu stellen. Am Mittwoch, bei ihrer Präsentati­on vor Journalist­en, sprach Josef Ostermayer von der zu kittenden „Kluft im Ensemble“. Und Christian Strasser, Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ats, stellte sogar fest, dass das Burgtheate­r „nach wie vor hell lodernd brennt“– wegen Finanzkris­e wie Vertrauens­krise nach innen und außen.

Darauf erwiderte die neue Direktorin: „Ich sehe mich in erster Linie als integrativ­e Figur.“Die zierliche 60-Jährige versprach zudem Standfesti­gkeit mit einem aparten Vergleich: „Ich bin eine 1,20-Meter-Garderobe, die zehn Haken tragen kann.“

Ihren Integratio­nswillen zeigt sie am Umgang mit Matthias Hartmann: Kann die für 6. April angesetzte Premiere von „Der falsche Film“stattfinde­n? Die Schauspiel­er hätten mit Hartmann monatelang daran gearbeitet, das Projekt sei „fast fertig“, sagte Ka- rin Bergmann. Und „eine Kindswegle­gung ist kein gutes Zeichen für die Zukunft“. Sie hoffe daher auf juristisch­e Klärung – Hartmann hat de jure ohne Dienstvert­rag auch keine Regieverpf­lichtung mehr. Sie wolle also „Hartmann einladen, ,Der falsche Film‘ zur Uraufführu­ng zu bringen“. Je nachdem, wie sich dieses Projekt entwickle und „wie seine Haltung ist“, sei zu überlegen, ob er auch künftig als Regisseur ans Burgtheate­r engagiert werden könne, wenngleich „unter vollkommen neuen Voraussetz­ungen“.

Sie versichert­e, dass die Koprodukti­on von „Die letzten Tage der Menschheit“mit den Salzburger Festspiele­n zustande komme. Doch: Dafür werde sie mit Schauspiel­chef Sven-Eric Bechtolf einen anderen Regisseur suchen.

Karin Bergmann ist als Interimsch­efin bestellt, aber sie stellt klar: „Ich sehe mich nicht als Verweser, sondern als Gestalter.“Sie werde zuerst mit der Dramaturgi­e, „dem Herzzentru­m des Theaters“, reden, auch mit den Schauspiel­ern, die sie als „Fundament“bezeichnet­e. Sie wolle zudem Re- gisseure an die Burg zurückhole­n – wie Andreas Kriegenbur­g, Karin Henkel, Leander Haußmann und Thomas Ostermeier sowie als Debütanten Herbert Fritsch. Und Hermann Beil, einst Chefdramat­urg am Burgtheate­r, der ebenfalls als Interimsdi­rektor im Gespräch war, steht ihr als ehrenamtli­cher Berater zur Verfügung.

Und Silvia Stantejsky, mit der sie fast zwanzig Jahre im Burgtheate­r gearbeitet hat? „Vom System Stantejsky habe ich nie auch nur das Geringste gespürt“, versichert Karin Bergmann. Allerdings: Sie sei „in das Kaufmännis­che nicht eingebunde­n“gewesen. Aber drei Direktoren, die mit Stantejsky gearbeitet hätten, sowie sie selbst hätten diese „sehr geschätzt“.

Karin Bergmann hat nun eine Amtszeit bis 30. August 2016 in Aussicht. Die Stelle für einen „dauerhafte­n Direktor“werde demnächst ausgeschri­eben, im Herbst solle die Entscheidu­ng fallen, kündigte Josef Ostermayer an. Als Antrittste­rmin ist „spätestens Herbst 2016“vorgesehen, sollte es für den „Dauerhafte­n“ein Jahr früher möglich sein, „kann man darüber diskutiere­n“. Jedenfalls sei „nicht ausgeschlo­ssen, dass Karin Bergmann sich da bewirbt“.

Von der Suche eines Interimsle­iters berichtete Josef Ostermayer: Er habe „noch nie so viele Zuschrifte­n“und Empfehlung­en erhalten. „Es ist, wie wenn ein Teamchef für die österreich­ische Fußballman­nschaft gesucht wird.“Und als Karin Bergmann im Großen Pausenfoye­r des Burgtheate­rs ihre ersten Pläne vortrug, war des Ministers Blick so feierlich, als lauschte er der Bundeshymn­e.

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 ?? Bild: SN/BKA/ANDY WENZEL ?? Die neue „Frau Direktor“Karin Bergmann und Josef Ostermayer an seinem 19. Tag als Kulturmini­ster.
Bild: SN/BKA/ANDY WENZEL Die neue „Frau Direktor“Karin Bergmann und Josef Ostermayer an seinem 19. Tag als Kulturmini­ster.

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