Leben länger selbst bestimmen
Die rund 59.000 Sachwalterschaften sollen durch Clearingstellen reduziert werden
WIEN (SN). In Österreich befinden sich derzeit über 59.000 Personen in „fremder Hand“: Menschen, die körperlich, geistig und/oder altersbedingt als nicht mehr fähig angesehen werden, ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu erledigen, erhalten vom Bezirksgericht einen Sachwalter beigestellt. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will die Zahl der besachwalteten Menschen nun reduzieren. Er hat das Projekt „Unterstützung zur Selbstbestimmung“gestartet, bei welchem mithilfe von Clearingstellen die Selbstbestimmung älterer Menschen so lange wie möglich erhalten bleiben soll.
Derzeit kann ein Bezirksgericht, wenn eine Anregung zur Sachwalterbestellung kommt, den Fall an eine Clearingstelle (soziale Einrichtungen der Hilfsorganisationen oder von Sachwaltervereinen) weiterleiten. Im Rahmen des Pilotprojekts an 17 Standorten in ganz Österreich (darunter auch die BG Salzburg und Thalgau) muss dies geschehen.
Sozialarbeiter in der Clearingstelle bemühen sich dann, gemeinsam mit dem Betroffenen und dem Umfeld einen anderenWeg zu finden. Etwa Unterstützung durch Nachbarn, Familienmitglieder oder Betreuungseinrichtungen, wenn die Wohnung verwahrlost ist oder Arzttermine nicht eingehalten werden. Oder durch ein „betreutes Konto“zur regelmäßigen Überweisung von Zahlungen oder Hilfe durch einen Coach in Rechtsgeschäften oder Vermö- gensverwaltung. Es gehe darum, dass „Fallbeil der Sachwalterschaft“– also dass ein Mensch wegen altersbedingter Probleme alle Rechte verliert – so lange wie möglich zu vermeiden. Die Selbstbestimmung so lange es geht zu erhalten ist für Brandstetter „ein Gebot derMenschlichkeit“.
Am System der Sachwalterschaft, die zuletzt 2006 reformiert wurde, gibt es immer wieder Kritik, nicht zuletzt auch an „Massensachwalterschaften“von Anwälten und Notaren. Die Erfahrungen aus dem Modellprojekt (das bis Herbst 2015 läuft) sollen jedenfalls in die von Brandstetter geplante Reform des Sachwalterrechts einfließen. Einen Entwurf zur Novelle will der Minister bis 2016 vorlegen.