Intensiver Blick auf Frösche und Kronen
Wie das Leben im Kunsthistorischen Museum funktioniert – und womit dort Krähen gefüttert werden
GRAZ (SN). Mit Ehrfurcht, Bedacht und großer Vorsicht werden alle Objekte behandelt: Das seit dem Diebstahl weltbekannte Tafelgeschirr namens Saliera, die Kaiserkronen, die fechtenden Frösche, die Mumien, das mögliche Rubens-Bild, das Eisbärenfell. Weiße Handschuhe gehören zur Dienstbekleidung im Wiener Kunsthistorischen Museum, wo neben zahllosen Exponaten auch ein Stück österreichischer Identität archiviert ist.
Was hinter den Kulissen der renommierten Kunstinstitution vor sich geht, zeigt der Dokumentarfilm „Das große Museum“, mit dem Dienstagabend die Diagonale – das Festival des österreichischen Films – in Graz eröffnet wurde. Regisseur Johannes Holzhausen ist mit seiner Kamera dabei, wenn Budgets ausgehandelt, verdiente Mitarbeiter in unendlich traurigen Kurzfeiern in die Pension verabschiedet oder in Depots die in die Falle getappten Kleidermotten abgezählt werden. Rund zwei Jahre lang hat der 54-jährige Salzburger die Renovierungsarbeiten und den Alltag im ehrwürdigen Museumstanker beobachtet. Das Ergebnis? Ein von (unfreiwillig) komischen, entlarvenden Zwischentönen geprägtes Porträt eines Hauses, ein kurzweiliger Blick in die von Lust an der Repräsentation und dem Glanz der Historie geprägten österreichische Seele.
Leise und unaufdringlich folgt die Kamera den internen Beratungen über neue Werbemaßnahmen oder zum Thema Mitarbeitermotivation, auf beklemmende Weise werden die Hierarchien im Betriebssystem Museum sicht- und spürbar. Man lernt die üppigen Vogelfütteraktivitäten (Brie für Krähen!) des Hofrats kennen, staunt über die Begeisterungsfähigkeit des zu Besuch weilenden Chefs des British Museum sowie über Details der zum Staatsakt hochstilisierten Eröffnung der Kunstkammer. Regisseur Holzhausen ist meistens ein stiller Be- obachter, der Pointen setzt: Darin liegt auch die Stärke des Films. Wenn er zu sehr inszeniert – etwa den visuell spektakulären Frontalangriff der Bauarbeiter auf den Parkettboden – oder arrangiert, verliert „Das große Museum“etwas an Authentizität.
Die stärksten Momente des ohne Interviews oder Kommentare auskommenden Films entführen das Publikum in eine eigene Welt, die zugleich hoch professionell und doch auch ein wenig schrullig zu sein scheint. Der Dienstausweis des Neopensionisten wird sogleich zerschnitten, in einer Schachtel deponiert und im Keller archiviert. Ordnung muss sein. Der von der Aura des Museums seit Jugendtagen beseelte Regisseur setzt geschickt auf Tempowechsel, verquickt unterschiedlichste Episoden zu einem bittersüßen Stimmungsbild.
Der an sich kluge Bildschnitt wird im Finale gebrochen, das Ende wird zu sehr in die Länge gezogen und zelebriert, erscheint mit seinem Verweis auf den „Turmbau zu Babel“auch zu didaktisch. „Das große Museum“mag kein dokumentarisches Neuland beschreiten, ist aber endlich wieder ein ansprechender, qualitätsvoller Diagonale-Eröffnungsfilm.