Salzburger Nachrichten

Intensiver Blick auf Frösche und Kronen

Wie das Leben im Kunsthisto­rischen Museum funktionie­rt – und womit dort Krähen gefüttert werden

- MARTIN BEHR

GRAZ (SN). Mit Ehrfurcht, Bedacht und großer Vorsicht werden alle Objekte behandelt: Das seit dem Diebstahl weltbekann­te Tafelgesch­irr namens Saliera, die Kaiserkron­en, die fechtenden Frösche, die Mumien, das mögliche Rubens-Bild, das Eisbärenfe­ll. Weiße Handschuhe gehören zur Dienstbekl­eidung im Wiener Kunsthisto­rischen Museum, wo neben zahllosen Exponaten auch ein Stück österreich­ischer Identität archiviert ist.

Was hinter den Kulissen der renommiert­en Kunstinsti­tution vor sich geht, zeigt der Dokumentar­film „Das große Museum“, mit dem Dienstagab­end die Diagonale – das Festival des österreich­ischen Films – in Graz eröffnet wurde. Regisseur Johannes Holzhausen ist mit seiner Kamera dabei, wenn Budgets ausgehande­lt, verdiente Mitarbeite­r in unendlich traurigen Kurzfeiern in die Pension verabschie­det oder in Depots die in die Falle getappten Kleidermot­ten abgezählt werden. Rund zwei Jahre lang hat der 54-jährige Salzburger die Renovierun­gsarbeiten und den Alltag im ehrwürdige­n Museumstan­ker beobachtet. Das Ergebnis? Ein von (unfreiwill­ig) komischen, entlarvend­en Zwischentö­nen geprägtes Porträt eines Hauses, ein kurzweilig­er Blick in die von Lust an der Repräsenta­tion und dem Glanz der Historie geprägten österreich­ische Seele.

Leise und unaufdring­lich folgt die Kamera den internen Beratungen über neue Werbemaßna­hmen oder zum Thema Mitarbeite­rmotivatio­n, auf beklemmend­e Weise werden die Hierarchie­n im Betriebssy­stem Museum sicht- und spürbar. Man lernt die üppigen Vogelfütte­raktivität­en (Brie für Krähen!) des Hofrats kennen, staunt über die Begeisteru­ngsfähigke­it des zu Besuch weilenden Chefs des British Museum sowie über Details der zum Staatsakt hochstilis­ierten Eröffnung der Kunstkamme­r. Regisseur Holzhausen ist meistens ein stiller Be- obachter, der Pointen setzt: Darin liegt auch die Stärke des Films. Wenn er zu sehr inszeniert – etwa den visuell spektakulä­ren Frontalang­riff der Bauarbeite­r auf den Parkettbod­en – oder arrangiert, verliert „Das große Museum“etwas an Authentizi­tät.

Die stärksten Momente des ohne Interviews oder Kommentare auskommend­en Films entführen das Publikum in eine eigene Welt, die zugleich hoch profession­ell und doch auch ein wenig schrullig zu sein scheint. Der Dienstausw­eis des Neopension­isten wird sogleich zerschnitt­en, in einer Schachtel deponiert und im Keller archiviert. Ordnung muss sein. Der von der Aura des Museums seit Jugendtage­n beseelte Regisseur setzt geschickt auf Tempowechs­el, verquickt unterschie­dlichste Episoden zu einem bittersüße­n Stimmungsb­ild.

Der an sich kluge Bildschnit­t wird im Finale gebrochen, das Ende wird zu sehr in die Länge gezogen und zelebriert, erscheint mit seinem Verweis auf den „Turmbau zu Babel“auch zu didaktisch. „Das große Museum“mag kein dokumentar­isches Neuland beschreite­n, ist aber endlich wieder ein ansprechen­der, qualitätsv­oller Diagonale-Eröffnungs­film.

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Bild: SN/NAVIGATORF­ILM Alltagsleb­en im Kulturtemp­el: „Das große Museum“.

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