Salzburger Nachrichten

Rätsel, Verzweiflu­ng, Verschwöru­ng um MH370

Das Verschwind­en eines Passagierf­lugzeugs erinnert uns an unsere Machtlosig­keit – trotz allen technische­n Fortschrit­ts.

- VIKTOR HERMANN E-Mail: viktor.hermann@salzburg.com

Je länger die Suche nach der malaysisch­en Maschine nur Bruchstück­e an Informatio­n über das Schicksal der 239 Passagiere und der Besatzung hervorbrin­gt, desto größer die Enttäuschu­ng der Betroffene­n. Und betroffen sind nicht nur die Angehörige­n der verschwund­enen Passagiere, betroffen fühlen sich alle, die hin und wieder (oder auch sehr häufig) mit dem Flugzeug unterwegs sind – beruflich oder zum Vergnügen.

Die Ungewisshe­it heizt die Verzweiflu­ng umso mehr an, als sie ja nur die grausame Erkenntnis hinauszöge­rn kann, die am Ende der Suche stehen wird: Das Flugzeug ist verloren, die Chance, noch Überlebend­e zu finden, tendiert gegen null.

In diese Verzweiflu­ng mischt sich eine gehörige Portion Unglauben. Wir leben in einer gläsernen Welt. Immer mehr Menschen wissen immer mehr über immer mehr Tatsachen, über immer mehr Weltgegend­en Bescheid. Informatio­n über jedwede Ereignisse rasen in Echtzeit um die Welt. Wenn irgendwo in China der sprichwört­liche Sack Reis umfällt, wissen wir am anderen Ende derWelt gleich davon, reagieren die Märkte ebenso wie die Politik.

Und in dieser gläsernen Welt kann ein Flugzeug einfach so verschwind­en? Niemand kann wissen, wohin die Boeing 777 mit ihrer menschlich­en Fracht flog, was mit ihr geschehen ist? Das erscheint uns umso unglaubwür­diger, als wir seit diversen Enthüllung­en wissen, wie viel die Geheimdien­ste dieser Welt über uns alle herausfind­en, wie viel Informatio­n sie sammeln. Sie können jeden Einzelnen von uns durchleuch­ten, aber nicht ein riesiges Verkehrsfl­ugzeug aufspüren. Das erscheint uns unglaubwür­dig.

Kaum verwunderl­ich also, dass recht rasch die seltsamste­n Verschwöru­ngstheorie­n auftauchte­n – die wohl erst verschwind­en werden, wenn die Blackbox der Maschine gefunden wird. Von den Taliban bis zu den US-Geheimdien­sten reichen die „Verdächtig­en“dieser Theorien, die sich auf nichts als Mutmaßunge­n und gezielte Desinforma­tion stützen. Wo Ungewisshe­it, Mangel an Informatio­n und Verzweiflu­ng herrschen, da wächst die Bereitscha­ft, an die abstrusest­en Theorien zu glauben.

Doch sieht es so aus, als weise das Schicksal von MH370 die Menschen wieder einmal darauf hin, dass es selbst in einer Welt höchstmögl­icher technische­r Perfektion keine absolute Sicherheit und keine absolute Gewissheit geben kann.

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