Russlands Zwitterrolle in G-8-Gruppe beendet
Rauswurf. 15 Jahre lang war Wladimir Putin im Kreis der Führer der Industrienationen willkommen.
BRÜSSEL, MOSKAU (SN-strick, Reuters). Die sieben führenden Industrieländer haben Russland aus ihrem exklusiven Club geworfen. „Solange das politische Umfeld für G-8 wie im Augenblick nicht vorhanden ist, gibt es G-8 nicht, weder als konkreten Gipfel noch als Format“, stellte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nüchtern bei einem informellen Treffen des Restclubs, der G-7, in Den Haag fest.
Der Schritt, mit dem Russlands westliche Partner auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim reagieren, trifft immerhin das aktuelle G-8-Präsidentschaftsland. Damit wird auch der Gipfel in Sotschi im Juni abgesagt. Der vorläufige Ausschluss Russlands treffe zwar alle Beteiligten, dürfte aber vor allem den russischen Präsidenten Wladimir Putin schmerzen, nicht zuletzt aus Prestigegründen, sagen westliche Diplomaten. Dass Russland weiterhin in der G-20-Gruppe der Industrieund Schwellenländer bleibt, dürfte das kaum ausgleichen.
Jedenfalls endet nun eine rund 15 Jahre währende Kuriosität: die Zwitterrolle Russlands. Denn das Land ist seit 1998 nicht nur Mitglied der ansonsten aus den etablierten Industrieländern USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Kanada sowie Frankreich und Italien bestehenden G-8-Gruppe. Es ist auch Teil der Schwellenländergruppe BRICS: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Bei den Schwellenländern fühlt sich Wladimir Putin, seit 1999 in Moskau am Ruder, aber nicht besonders wohl. So betonte sei n Sprecher Dmitrij Peskow am Dienstag, Russland wolle weiterhin „auf allen Ebenen“mit dem Westen zusammenarbeiten. „Wir sind interessiert an diesen Kontakten“, meinte er.
Die freundlichen Töne dürften mit wirtschaftlichen Schmerzen zu tun haben. Die Kapitalflucht aus Russland soll von Jänner bis März 2014 rund 51 Milliarden Euro ausmachen. Das berichtete die „Financial Times“. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2013 betrug der Kapitalabfluss knapp 46 Milliarden Euro. Viele Investoren ziehen
Kreml-Sprecher ihr Geld aus Sorge vor den Folgen der Krim-Annexion ab. Deutsche Unternehmen sind dabei, Profite ihrer russischen Töchter in Sicherheit zu bringen. Diese Profite sind laut dem internationalen Beratungsunternehmen KPMG bislang im Land geblieben, um ein weiteres Wachstum der Unternehmen zu finanzieren. Russlands stellvertretender Wirtschaftsminister Andrej Klepach gab zu, dass die „sich verschlechternden internationalen Beziehungen die Wirtschaft belasten“.
In der G-8-Gruppe war Russland nie ein echtes Vollmitglied, auch wenn Putin alljährlich zum Gipfel kam. Finanzpolitisch spielt das Land nicht in der ersten Liga. Daher nimmt der russische Finanzminister bis heute nicht regelmäßig an den Treffen seiner Kollegen aus den USA, Kanada, Japan, Italien, Großbritannien, Frankreich und Deutschland teil. Schon als Russland zu den G-7 stieß, war das nicht unumstritten. Bis heute sehen viele Mitglieder den Club auch als eine Wertegemeinschaft, die durch ein gemeinsames Verständnis von Freiheit, von demokratischen und rechtsstaatlichen Regeln verbunden ist.
Dass Russland hier von Beginn an kein ideales Mitglied darstellen würde, war allen klar. Das wurde in Kauf genommen, um Russland und Wladimir Putin nicht auszugrenzen, sondern ernst zu nehmen und in die internationale Verantwortung einzubinden. So lautete lange Zeit das Hauptargument dafür, Putin (und 2008 bis 2012 seinen Kurzzeitnachfolger Dmitrij Medwedew) in den sehr persönlichen und direkten Dialog der G-8-Führer einzubeziehen.
Die USA haben am Dienstag ihre Verantwortung für den Schutz der Ukraine bekräftigt. Rund 20 Jahre nach der Unterzeichnung des Budapester Memorandums sicherten die USA der ehemaligen Sowjetrepublik erneut ihren Einsatz für die Unabhängigkeit, Souveränität und die bestehenden Grenzen zu. Im Budapester Memorandum hatten die USA, Großbritannien und Russland 1994 im Gegenzug für Kiews Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag die Unabhängigkeit und Integrität der Ukraine garantiert.