Salzburger Nachrichten

Aufregung über Todes-SMS

Aufklärung. Angehörige der Passagiere der vermissten Boeing sind wütend auf die malaysisch­e Regierung. Auch Kommunikat­ionsexpert­en kritisiere­n die schlechte Informatio­nspolitik.

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PERTH (SN-veo, dpa). Sie bekamen keinen Anruf, wurden zu keinem Gespräch geladen, sondern erhielten nur ein SMS. Darin wurde ihnen mitgeteilt, dass ihre Angehörige­n bei einem Absturz ums Leben gekommen sind. Die Familien der 239 Passagiere der vermissten Malaysia-Airlines-Maschine sind mit ihrer Geduld am Ende. In Peking kam es am Dienstag vor der malaysisch­en Botschaft zu Zusammenst­ößen mit der Polizei. Angehörige warfenWass­erflaschen auf die Sicherheit­skräfte. „Wir wollen die Wahrheit“, stand auf Plakaten. Die Familien forderten von der Regierung und der Fluggesell­schaft Erklärunge­n, was mit der Boeing 777 geschehen ist. „Die malaysisch­e Regierung hat uns betrogen“, riefen Demonstran­ten.

Kommunikat­ionsexpert­in Verena Nowotny von der Agentur Gaisberg hält die Vorgehensw­eise der Behörden für bedenklich. „Die Nachricht, die eine gravierend­e ist, hätte zumindest per Telefon oder von jemandem, der psychologi­sch geschult ist, überbracht werden müssen.“Ein SMS sei keine adäquate Mitteilung­sform. Nowotny, die als Krisenkomm­unikations­verantwort­liche beim Grubenungl­ück von Lassing und beim Tsunami im Jahr 2004 tätig war, schließt aus der Reaktion der Angehörige­n, dass die Regierung nicht im Kontakt mit den Betroffene­n gestanden haben könnte. „Es muss wenigstens eine menschlich­e Stimme verfügbar sein.“

Am Dienstag gab die malaysisch­e Regierung neue Erkenntnis­se zum möglichen Absturz des Jets bekannt. Das Flugzeug ist nach Überzeugun­g der Ermittler zwischen 1.11 Uhr MEZ und 2.15MEZ in den Indischen Ozean gestürzt. Das geht aus der neuen Analyse von Satelliten­daten hervor. Der Flug endete demnach zwischen siebeneinh­alb und achteinhal­b Stunden nach dem Start in Kuala Lumpur. Genau so lang habe auch der Treibstoff an Bord gereicht, sagte Verkehrsmi­nister Hishammudd­in Hussein

Nach wie vor gibt es nach seinen Angaben keinen Aufschluss darüber, warum die Maschine vomKurs Richtung Peking abwich und in entgegenge­setzter Richtung flog. Die Ermittlung­en gingen weiter, sagte Polizeiche­f Kha- lid Abu Bakar. „Ich bin nicht in der Lage, Ergebnisse zu präsentier­en, das würde die weiteren Ermittlung­en behindern“, sagte er.

China verlässt sich nicht mehr auf die Angaben der malaysisch­en Behörden und hat einen Sondergesa­ndten nach Malaysia geschickt. Mehr als 150 der Insassen waren chinesisch­e Staatsbürg­er. Zuletzt hatte die chinesisch­e Regierung alle Satelliten­daten in Kuala Lumpur angeforder­t, um den Absturz nachzuvoll­ziehen.

Die Suche nach der Maschine gestaltet sich schwierig: Meterhohe Wellen, heftiger Regen und Windstärke­n von bis zu 80 Stundenkil­ometern behinderte­n am Dienstag die Arbeiten. Die Einsätze in dem Gebiet 2500 km südwestlic­h von Australien wurden vorläufig eingestell­t. Ein Sturm macht einen sicheren Einsatz unmöglich, erklärte der Seenotrett­ungsdienst Amsa. Wegen des starken Wellengang­s habe zudem ein Schiff die Region verlassen, in der am Montag möglicherw­eise Wrackteile von Flug MH370 gesichtet worden waren. Bisher ist noch kein einziges Trümmertei­l entdeckt worden.

Die Zeit für die Ortung der Blackbox, die den entscheide­nden Hinweis zur Absturzurs­ache bringen soll, wird damit knapp. Das Gerät sendet nur 30 Tage lang ein Signal, dann ist die Batterie leer. Der Metallbehä­lter beinhaltet einen Flugschrei­ber, der alle relevanten Daten registrier­t – wie Kurs, Flughöhe oder Tempo. Zudem zeichnet ein Stimmenrek­order Gespräche im Cockpit auf.

Eine Art Unterwasse­rdrohne soll nun bei der Suche nach der Box helfen. Das unbemannte Mini-U-Boot kann in einer Wassertief­e von bis zu 4600 Metern nach Wrackteile­n suchen. An jener Stelle, an derWrackte­ile vermutet wurden, ist das Meer zwischen 3500 bis 5000Meter tief.

Noch immer stellt sich die Frage, wie die Maschine vom Radar verschwind­en konnte und warum der Kontakt zu den Piloten abbrach. Austro-Control-Sprecher Markus Pohanka erklärt: „In Österreich haben die Fluglotsen Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr, ihr Radarbild mit sämtlichen Flugzeugen vor Augen.“Ein Transponde­r, der in jeder Maschine eingebaut sei, liefere Zusatzinfo­rmationen. Im Falle des malaysisch­en Jets wird ermittelt, ob genau dieses Gerät abgeschalt­et wurde oder ausfiel. Ein aktiver Transponde­r sei die Grundlage der Flugsicher­ung, sagt Pohanka. Im Falle eines Defekts bleibe nur der Funkkontak­t oder die militärisc­he Luftraumüb­erwachung, die sämtliche Flugobjekt­e auch ohne Signal erkenne. Antworten auf diese Fragen kann nur die Blackbox liefern. Wird das Gerät nicht gefunden, könnte das Verschwind­en für immer ein Rätsel bleiben.

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Bild: SN/AP Die Angehörige­n der Passagiere verschaffe­n ihrem Unmut auf der Straße Luft.
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