Einer, der neue Seiten von Beethoven aufschlägt
Seine Reise ist ein Langzeitprojekt, umfasst die fünf Klavierkonzerte und Sonatenabende in 19 Städten: Pianist Leif Ove Andsnes unterwegs
WIEN (SN). Nicht immer lässt sich bei Künstlerprojekten, die griffigschöne Titelschlagworte tragen, genau sagen, wie weit das Verhältnis zwischen Kunst und Marketing noch gesund ist. Wenn sich allerdings der 1970 geborene norwegische Pianist Leif Ove Andsnes aufmacht zu seiner „Beethoven Journey“und diese von vornherein schon langfristig disponiert, dann kann man davon ausgehen, dass das Projekt nie dem „Event“geopfert wird.
Andsnes gehört nicht zu den Blendern, sondern ist seit je einer der seriösesten, tiefsinnigsten, im besten Sinne musikalischsten Interpreten seiner Zunft. Er musste und muss sich selbst nichts beweisen, weil er es einfach kann: deutlich, gründlich, klug, unprätentiös großartig Musik zu machen.
Andsnes sei, schrieb ein Magazin kürzlich, mit dem zweiten Teil seiner Reise zu Beethoven, den Klavierkonzerten Nr. 2 und 4 gewidmet, endgültig „im Pianistenolymp angekommen“. Obwohl er in seiner Karriere als Solist und Kammermusiker viel gespielt und viel aufgenommen hat: Für Beethoven hat er sich Zeit gelassen. Jetzt kann er sich ihm ganz widmen. Die Klavierkonzerte stehen im Fokus seines Interesses, das sich durch nichts anderes ablenken lässt außer – Beethoven.
Deswegen spielt der durchdachte Norweger nicht nur diese fünf eigenwilligen Preziosen weltweit mit verschiedenen Orchestern, sondern widmet sich in einer Langzeittournee in 19 Städten auch dem Sonatenwerk. Was immer die wechselseitige Beleuchtung ergeben mag, eines steht fest, wenn man die Aufnahmen der
Beethoven:
Leif
Ove ersten vier von fünf Klavierkonzerten mit dem Mahler Chamber Orchestra hört: In Personalunion als Solist und musikalischer Leiter setzt Andsnes Marksteine partnerschaftlichen Musizierens.
Lang nicht hat man diese Werke so wohltuend familiär, so intensiv im Austausch der Stimmen, so geschlossen und doch in jeder Sekunde differenziert im Ausdruck gehört. Es ist der Grad an Übereinstimmung, der ihnen je eigene spielerische Note gibt. Nichts wirkt vergrübelt oder bloß intellektuell erfasst, alles atmet, pulsiert, lebt. Nie wird Beethovens kompositorische Sprengkraft bloß selbstreferenziell vorgeführt, sondern stets organisch begründet. Facettenreich ist die Dynamik, federnd der Rhythmus, schlank der perlende, brillante Ton, transparent und elastisch der wunderbar aufgefächerte Orchestersatz.
Dabei plustern die Musiker das Klanggeschehen nie quasi heroisch-titanisch auf. Sie lassen zwar deutlich den durchaus widerspenstigen Querkopf hören, bauen aber nie das unnahbare „Monument“Beethoven. Das widersprüchlich Menschliche: Das macht den Kosmos dieses herrlich intensiven Musizierens aus, dem man sich wie einer (Lebens-)Erzählung in zwölf Sätzen hingibt. Dabei wirkt alles befreit und entspannt und wunderbar selbstverständlich, dicht und doch locker, souverän und entschieden unaufgeregt: Beethoven-Lektionen der besonderen Art.
Beethoven-Recital von Leif Ove Andsnes, 26. 3. 2014, 19.30 Uhr, MusikvereinWien
The Beethoven Journey, Klavierkonzerte Nr. 1 und 3 resp. 2 und 4. Leif Ove Andsnes, Mahler Chamber Orchestra, Sony Classical
Konzert:
CD: