Politische Knebelung des Fernsehens gelockert
Verfassungswidrig. Bemerkenswertes Urteil des deutschen Verfassungsgerichtshofs: Das ZDF darf kein Staatsfunk werden.
KARLSRUHE (SN-paw, dpa). Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat den Einfluss der Politiker auf das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) beschränkt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht zum „Staatsfunk“werden. Der Anteil von Vertretern des Staats und der Parteien in den Aufsichtsgremien dürfe höchstens ein Drittel betragen, entschied das Gericht am Dienstag: „Das Gebot der Staatsferne verbietet eine Instrumentalisierung des Rundfunks durch den Staat und verlangt weitgehende Besetzungen der Aufsichtsgremien mit staatsfernen Mitgliedern.“Unmittelbar betrifft die Karlsruher Entscheidung nur das ZDF. Die Grundsätze gelten aber für alle öffentlich-rechtlichen Sender, auch die ARD.
Ranghohe Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF begrüßten das Urteil. „Die Entscheidung stärkt die Unabhängigkeit des ZDF“, so Intendant Thomas Bellut. „Das Fundament der Staatsferne des öffentlichrechtlichen Rundfunks“sei gestärkt worden, sagte der ARDVorsitzende Lutz Marmor.
Die Richter erklärten mehrere Regelungen des ZDF-Staatsver-
T. Bellut trags für verfassungswidrig. Die Länder haben bis Ende Juni 2015 Zeit für Neuregelungen. Derzeit besteht der Fernsehrat des ZDF, der 77 Mitglieder hat, zu 44 Prozent aus staatsnahen Vertretern. Im Verwaltungsrat, der den Intendanten überwacht, sind sechs von 14 Mitgliedern Staat und Parteien zuzurechnen.
Auslöser der Klage von Rheinland-Pfalz und Hamburg war der Streit um den früheren ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gewesen. Im Jahr 2009 hatten CDUnahe Verwaltungsräte Brenders Vertrag nicht verlängert, obwohl sich der Intendant für ihn ausgesprochen hatte. „Ich glaube, die Auseinandersetzungen um meinen Fall haben sich gelohnt“, sagt Brender heute. „Das Urteil des Gerichts ist klar: Es erfordert eine Menge von Veränderungen in den Bundesländern, neue Staatsverträge. Und es zeigt den Politikern die Grenzen ihres Einflusses deutlich auf.“
Der österreichische Medienrechtsspezialist Hans Peter Lehofer sagte den SN, in Österreich werde man das Urteil genau ansehen und schauen, „was man moralisch daraus lernen kann“. Das Urteil habe österreichische Bestimmungen teilweise sogar überholt. Bemerkenswert sei etwa, dass in Deutschland Exekutivvertretungen nicht mehr Gremien ernennen dürften, also in übertragenem Sinn hieße das: In Deutschland dürfte das Bundeskanzleramt nicht mehr den Publikumsrat bestellen. Außerdem erachtet Lehofer das ZDF-Urteil aus Karlsruhe strenger als die österreichische Regelung, da nunmehr nicht nur mächtige Vertreter gesellschaftlicher Gruppen vertreten sein sollen, sondern gezielt auch kleinere Gruppierungen.